Kommentar: Das Streben nach Glück ermöglichen

15.9.2014, 11:30 Uhr
Kommentar: Das Streben nach Glück ermöglichen

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Das momentane System hilft, wem geholfen werden muss, quasi wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Das bedeutet im Rückschluss aber auch, dass der, der Hilfe braucht, im System nicht funktioniert. Was sagt uns das über den Wert des Menschen?

Die Grundsätze unseres jetzigen Sozialsystems setzen zwei Dinge gleich: finanziell messbare Leistung und Wert. Im Umkehrschluss hat nur Wert, was Geld bringt. Das gilt auch für den Menschen. Der menschliche Wert ergibt sich aus seiner finanziellen Produktivität. An genau dieser Stelle würde das Grundeinkommen zu einem radikalen Umdenken führen.

Ohne Gefahr zu laufen, stigmatisiert oder für einen alternativen Spinner gehalten zu werden, kann für das eigene Leben die passende Entscheidung getroffen werden. Ohne sich auch gleichzeitig am Rande der Existenzangst bewegen zu müssen, eröffnet ein Grundeinkommen die Möglichkeit, sich seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechend zu orientieren. Aber auch Scheitern ist möglich, ohne gleich Gefahr zu laufen, gesellschaftlich das Gesicht zu verlieren.

Einladung zum Schmarotzertum?

An dieser Stelle wird die Befürchtung des steigenden Schmarotzertums einiger Kritiker laut. Die Motivation zu arbeiten würde stark absinken, heißt es. Die momentane Situation zeigt jedoch, dass trotz der Möglichkeit von Sozialleistungen bis hin zu vermeintlich existenzsicherndem Hartz IV die Zahl der „Sozialschmarotzer“ sehr gering ist.

Zudem weisen Psychologen wie Manuel Tusch in seinem Buch „Ich will so werden wie ich bin – Für Selberleber“ darauf hin, dass die Produktivität bei höherer Selbstbestimmung steigen und nicht sinken würde. Es ist sogar davon auszugehen, dass mehr Menschen arbeiten gehen würden.

Nicht eingerechnet ist außerdem, dass sich niedrig bezahlte Jobs lohnen würden, ebenso wie ein Ehrenamt oder die Gründung einer Familie und Pflegezeit. Das bedingungslose Grundeinkommen baut darauf, dass der Mensch in einer Beschäftigung für sich und die Gesellschaft Sinn sieht, von sich aus und ohne Zwang. Das ist deutlich mehr Vertrauen in einen mündigen Bürger als im momentanen Sozialsystem.

Die Würde des Menschen ist unantastbar

Was passiert, wenn man heute seinen Job verliert oder er nicht ausreicht, um über die Runden zu kommen? Man muss alles offen legen, seinen Hausstand und sein Erspartes in die Waagschale werfen und beim Amt um Almosen betteln. Besonders mit Hartz IV verbindet man das untere Ende der Gesellschaft, die Leistungsunfähigkeit und das Nicht­-Funktionieren. Das hat nicht einfach nur gravierende Auswirkungen auf den Selbstwert und das persönliche Wohlbefinden der Betroffenen, es ist schlicht menschenunwürdig.

In den letzten Jahren gab es immer wieder Klagen beim Bundesverfassungsgericht, dass die Hartz IV­-Sätze die Würde des Menschen nicht gewährleisten könnten. Aber verstößt das ganze Konzept nicht gegen den ersten Artikel unserer Verfassung? Nicht nur das Gleichsetzen des Wertes eines Menschen und seiner Würde mit seiner finanziell messbaren Produktivität, sondern auch, dass eine Abwärtsspirale droht, aus der es irgendwann nur schwer einen Ausweg gibt. Besonders weil die Betroffenen die Rolle eines Versagers annehmen.

Eine ganz andere Sicht auf die eigene Entscheidungsfähigkeit und die eigenen Möglichkeiten bietet das Grundeinkommen, selbst wenn es auf den ersten Blick nur eine Änderung der Einstellung ist.

Wer soll das bezahlen?

Kommen wir kurz zurück auf die Frage der Finanzierbarkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens. Längst haben renommierte Köpfe wie der Präsident des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts Thomas Straubhaar oder gar dm-­Drogeriemarkt Gründer Götz Werner schlüssig dargelegt, dass und wie das Prinzip eines bedingungslosen Grundeinkommens finanzierbar und auch wirtschaftlich wäre. Daneben hat ein konkreter Versuch gezeigt, dass die Produktivität mit Einführung eines Grundeinkommens steigt, genauso wie das Wohlbefinden der Beteiligten.

Dennoch werden weiter Stimmen laut, das Grundeinkommen würde sich nicht rechnen, es würde Deutschland langfristig in den Ruin treiben. Ohne die hellseherischen Fähigkeiten der Kritiker in Frage stellen zu wollen, aber: Wirklich, darum geht es hier?

In Zeiten in denen vor allem Alleinerziehende die eigene und die Gesundheit ihrer Kinder nicht immer gewährleisten können, weil die Sozialleistungen, die sie brauchen, nicht reichen. Gleichzeitig können sie nicht Vollzeit arbeiten, wegen eines Kindes, das als zukünftiger Beitragszahler so wichtig ist. In einer Zeit von voranschreitender Altersarmut, die langfristig ganz klar zum Problem wird, ist die Frage der langfristigen Finanzierbarkeit in Anbetracht von Bankenrettungen schlicht eine Frechheit.

Demokratisches Prinzip

Im Endeffekt geht es doch darum, ob das Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens für eine große Mehrheit der Menschen eine deutliche Verbesserung bringen würde. Wie wäre es, sie zu fragen? Aufklärung und Nachfrage ist und bleibt hier ein probates Mittel. Also: Würden Sie direkt mit Einführung eines Grundeinkommens in Höhe von sagen wir 1000 Euro Hammer, Stift oder Skalpell fallen lassen und nicht mehr arbeiten?

Oder würden Sie sich schlicht sicherer und vielleicht sogar freier fühlen? Und sind es nicht immer die anderen, vor denen wir uns fürchten, dass sie sich auf die faule Haut legen würden und nicht wir selbst? So denken überraschenderweise die meisten und genau so ist ein bedingungsloses Grundeinkommen durchaus möglich.

Braucht Deutschland ein bedingungsloses Grundeinkommen? Das Ergebnis zum nordbayern.de-Voting finden Sie hier.

 

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