Königstorpassage: Junkies fordern mehr Verständnis

1.9.2016, 06:00 Uhr
Königstorpassage: Junkies fordern mehr Verständnis

© Foto: Horst Linke

Wenn man sie in der Königstorpassage nicht mehr haben wolle, "dann bräuchten wir einen Alternativplatz", sagt Chris (alle Namen geändert). "Wir hoffen, dass uns die Stadt irgendein Angebot macht", pflichtet Petra bei. Für die Szene ist ein solcher Ort wichtig, um zum Beispiel für Hilfsangebote der Drogenhilfe Mudra erreichbar zu sein. Nadja B. ist sehr ungern zum verabredeten Pressegespräch in die Königstorpassage gekommen, weil sie Angst hat, schon wieder in eine Polizeikontrolle zu laufen. "Man wird hier ständig gefilzt." Sie hat sich trotzdem durchgerungen, genau wie Petra, Thomas, Chris und Nadja W. – sie alle sind Klienten von Mudra und sie alle leiden unter der Situation, wie sie sich momentan in dem für die Szene zentralen Bereich neben dem VAG-Kunden-Center und dem Abgang in den Frauentorgraben darstellt. "So krass wie momentan war es mit den Kontrollen noch nie", sagt Petra.

Aber es liegt nicht nur an der Polizei, dass sie sich dort mittlerweile unwohl fühlen. Die Szene in der Königstorpassage ist unübersichtlicher geworden, seit zu den klassischen Drogensüchtigen, die vor allem Heroin und Ausweichdrogen aus dem Opiatbereich konsumieren, viele Flüchtlinge und Konsumenten von Kräutermischungen gekommen sind.

Die Kräutermischungen machen aggressiv, berichten die NZ-Interviewpartner. Vor einiger Zeit, erzählt Chris, habe einer einem anderen ein Messer ins Auge gerammt. "Aber wir müssen unseren Konsum abdecken", sagt Petra. Man kaufe rasch den Stoff und versuche, schnell wieder wegzukommen, erzählen die Betroffenen.

Die Gesellschaft, finden Petra und Nadja W., komme doch nicht weiter, wenn sie die Konsumenten – die sich zuletzt verstärkt am Aufseßplatz ansiedelten – verdränge und vertreibe. "Die Leute verstehen nicht, dass Drogensucht eine Krankheit ist“, sagt Nadja W. "Wir brauchen ein liberaleres Denken. Selbst die Amerikaner sind inzwischen liberaler als wir, ich hätte ja nie gedacht, dass die Gras legalisieren", meint Thomas. Nicht mal mehr im Mudra-Café könne man sich sorgenfrei treffen, beklagt Nadja B. "Wenn man dort war, wird man gleich wieder kontrolliert." Bertram Wehner, Geschäftsführer der Mudra, glaubt indes nicht, dass es die Polizei speziell auf seine Einrichtung abgesehen hat. "Aber wir liegen natürlich in der Innenstadt, wo der Kontrolldruck generell höher ist."Deswegen gerate eben auch öfter ein Mudra-Besucher ins Visier der Ordnungshüter.

Forderung nach Drogenkonsumraum

Am 15. September gibt es einen runden Tisch, bei dem städtische Vertreter von Bürgermeister-, Ordnungs-, und Sozialamt gemeinsam mit der Mudra und der Polizei über die Situation in der Königstorpassage reden wollen. Wehner hofft, dass man dabei vernünftige Lösungen für alle Beteiligten findet. Ein Wunsch, den Chris und die anderen Mudra-Klienten hegen, wird dabei jedoch nicht zu erfüllen sein, weil er nicht in der städtischen Befugnis liegt: Die Schaffung eines Drogenkonsumraums. In einer solchen Einrichtung könnten Betroffene ihren Stoff unter medizinischer Aufsicht nehmen. "Ich war in Frankfurt und habe mir das angeschaut", erzählt Chris. "Da ist jemand da, wenn es dich umhaut."

Die Stadt Nürnberg befürwortet zwar einen Modellversuch, der Freistaat Bayern aber muss entscheiden und gibt anders als Hessen kein grünes Licht. Mudra-Chef Wehner berichtet von einer Expertenrunde zum Thema Drogentod und Gegenstrategien, zu der das bayerische Gesundheitsministerium im Juli geladen hatte; Wehner zufolge verlief das Gespräch sehr konstruktiv – das Thema Konsumräume schaffte es aber gar nicht erst auf die Tagesordnung. Da hier die Fronten immer noch sehr verhärtet seien, wollte man keine Zeit mit einer weiteren Debatte vergeuden, sondern lieber Felder beackern, wo man eher Verständigung erzielen kann.

In einem solchen Druckraum könnten Abhängige ihr Besteck auch gleich entsorgen – herumliegende Spritzen, etwa an Spielplätzen, stellen für viele Bürger ein Ärgernis dar. Was Nadja B. total nachvollziehen kann: "Ich bin selbst Mutter und will auch nicht, dass meine Kleine in so eine Spritze greift." Aber man müsse das Besteck eben möglichst schnell loswerden. "Wenn ich mit einer benutzten Spritze erwischt werde, habe ich gleich wieder Stress mit der Polizei." Hilfreich wären spezifische Spritzenentsorgungsbehälter – davon gibt es laut Wehner aber nur einen, der sich direkt bei der Mudra befindet.

Und hilfreich, da sind sich die Interviewpartner einig, wäre ein gesellschaftliches Klima, das die Nöte der Drogenkonsumenten mehr in den Blick nimmt. "Man muss uns ja nicht respektieren, aber wenigstens akzeptieren", sagt Nadja W. Und Nadja B. meint: "Es ist doch ohnehin schon alles schwierig genug für uns."

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