Körperwelten: Auge in Auge mit den Verstorbenen

25.10.2014, 10:00 Uhr
Körperwelten: Auge in Auge mit den Verstorbenen

© Roland Fengler

Innen drin: eine ruhige, fast stille Atmosphäre. Dunkle Teppiche dämpfen die Schritte, nachtschwarze Wände sorgen für eine gruftartige Umgebung. Automatisch sinkt die Lautstärke auf Flüster-Niveau, während man sich den hell erleuchteten Vitrinen nähert. Dort sind Organe wie Herz und Lunge oder Verstorbene als Ganzes ausgestellt. Zum Beispiel ein schwebender Körper, der mit einem dichten Gewirr von Blutgefäßen überzogen ist. Die Installation wirkt fast ästhetisch, keineswegs unwürdig oder reißerisch.

Andererseits ist die Schau auch nichts für schwache Nerven: Um die Nervenstränge am Rückenmark deutlich zu machen, wurde ein menschlicher Rücken regelrecht gespalten. Auch die schwärzliche Raucherlunge neben einem gesunden Atmungsorgan ist gewöhnungsbedürftig.

"Zum Heulen"

Stark reagieren die überwiegend jugendlichen Besucher auf eine Reihe von Gläsern mit Föten von der sechsten bis zur zwölften Schwangerschaftswoche. „Allmächt, so winzig ist das noch und da sieht man bereits die Knochen“, murmelt die 17-jährige Silvia, „so etwas Zartes. Zum Heulen.“ Im nächsten Raum sind dann Embryos bis zur 30. Schwangerschaftswoche zu sehen. Durch die gelbliche Einfärbung wirken sie eher wie Wachspuppen. Man muss sich immer wieder ins Bewusstsein rufen, dass es sich Verstorbene handelt — nicht um Kunstfiguren. Viele Gäste nutzen den Audioguide mit medizinischen Informationen über das Wunderwerk Körper. Etwa, dass das Herz im Laufe eines durchschnittlichen Lebens drei Milliarden Mal schlägt und dabei 200 Millionen Liter Blut durch den Körper pumpt. Oder dass das weit verzweigte Gefäßsystem mit Arterien, Venen und Kapillaren 96.500 Kilometer (!) lang ist: Hintereinander geknüpft würde es mehr als zweimal die Erde umspannen, heißt es im Ausstellungstext.

Die Organisatoren der Nürnberger Schau „Körperwelten“ stellen das Herz als Taktgeber des Lebens ins Zentrum. Sie machen ganz plastisch auf den Verschleiß und Funktionsstörungen aufmerksam. So liegt beispielsweise ein präpariertes Herz mit einem Bypass, ein weiteres mit einem Herzschrittmacher in dem Schaukasten. Der Laie kann sich so konkret vorstellen, wie der Herzschrittmacher einen elektrischen Impuls an den Muskel aussendet. Um die gigantische Leistung des zentralen Organs zu verdeutlichen, haben die Ausstellungsmacher blutrot lackierte Ölfässer übereinander getürmt: Sie fassen insgesamt 7000 Liter, das entspricht der täglichen normalen Pumpleistung.

Der Mediziner Gunther von Hagens hatte die Plastination 1977 erfunden: Dabei werden dem Körper sämtliche Flüssigkeiten und lösliche Fette entzogen, durch Harze sowie elastische Kunststoffe ersetzt und somit dauerhaft präpariert. Seit 1997 gibt es unterschiedliche Wanderausstellungen von „Körperwelten“, die laut Organsiatoren weltweit rund 40 Millionen Besucher erreicht haben.

Blutrotes Mousepad

Bei der Eröffnung unterstrich Professor Franz Josef Wetz, der sich für „Körperwelten“ öfter zu bioethischen Fragen und dem Thema Menschenwürde geäußert hat: „Die ungewöhnlichen, sinnlichen Eindrücke berühren die Besucher. Sie geht weit über anatomische Wissensvermittlung hinaus. Es ist eine Stätte für Biologie- wie Religionsunterricht. Hier wird die Menschenwürde nicht verletzt.“

Die ersten Besucher waren fasziniert und beeindruckt. Auch sie hatten nicht den Eindruck, dass die Schau gegen ethische Grundsätze verstößt. Ob man allerdings einen Ausstellungsshop mit Mousepad mit blutrotem Organ und mit ähnlich gestalteter Reisetasche zu 45 Euro braucht, ist eine Geschmacksfrage. Diese Art der Vermarktung ist kontraproduktiv zum Anliegen der Organisatoren.

„Körperwelten“ am Quelle-Areal, Fürther Straße 205, läuft mit umfangreichem Begleitprogramm bis 11. Februar. Die Erwachsenen-Karte kostet 18 Euro, Kinder (7 bis 18 Jahre) 13 Euro, Familienticket 45 Euro. Mit ZAC-Karte gibt es 20 Prozent Ermäßigung.

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