Körperwelten: Plastinat auf dem Hauptmarkt schockiert nicht

22.10.2014, 13:43 Uhr
Körperwelten: Plastinat auf dem Hauptmarkt schockiert nicht

© Eduard Weigert

Der Tod ist nun auch in Nürnbergs Altstadt angekommen: Das Ganzkörperplastinat "Atlas" wurde am Mittwoch direkt vor den Augen vieler Passanten und Touristen ausgepackt. Ganz unspektakulär in Folie gehüllt, entfaltete der "Hautlose" seine Wirkung erst, als er richtig positioniert und mit der Weltkugel auf dem Rücken ausgestattet vor dem Schönen Brunnen stand. Selbst Promi-Bodyguard Peter Althof half beim Auspacken der Weltkugel, die das Plastinat trägt. Ein richtiger Aufreger war das Werk des "Dr. Tod", wie der Plastinator Gunther von Hagens gerne genannt wird, jedoch nicht. Viele Passanten verharrten nur kurz, warfen einen interessierten Blick auf die Menschenstatue und gingen weiter.

"Atlas" ist die Bezeichnung der hier ausgestellten Person, auch wenn sie als solche wohl nicht mehr gesehen werden darf. Sobald die Leichen im Plastinarium ankommen, erhalten sie eine Nummer und damit absolute Anonymität. Nachdem ein unabhängiger Notar die Papiere geprüft und den Körper anschließend freigegeben hat, beginnt die sogenannte Plastination. Zu Lebzeiten hat jede der Personen eine Einwilligung unterschrieben, die im Internet heruntergeladen werden kann. Geld erhalten sie dafür nicht, ausschließlich die Transportkosten werden übernommen.

14.000 Körperspender gibt es derzeit in Deutschland, die meisten von ihnen stammen aus Bayern. Sieben dieser Körperspender aus Nürnberg haben sich bereit erklärt, zur Eröffnung am Freitag ab 10 Uhr auf einer Pressekonferenz Frage und Antwort zu ihren Beweggründen zu stehen. Die Geschichten, die potentielle Körperspender dazu bewegt, können ganz unterschiedlich sein. So geht es vielen von ihnen beispielsweise vor allem darum, Angehörige nicht mit deren Grabpflege zu belasten. Auch die Vorstellung, später einmal von Würmern zerfressen werden zu können, soll immer wieder Beweggrund sein.

Gunther von Hagens Wanderausstellung gibt es nun schon seit 1996 und sie sorgt auch heute noch für Diskussionsstoff. In Berlin wurde eine dauerhafte Ausstellung beispielsweise verboten. Die Passanten in der Nürnberger Innenstadt dagegen hatten überwiegend kein Problem mit dem in der Öffentlichkeit ausgestellten Plastinat. "Ich kann das nicht wirklich leiden, aber das ist wohl Geschmackssache", meinte eine ältere Dame, "ein lebendiger Mensch mit Haut wäre mir lieber", lachte ein anderer Mann. Insgesamt schien die öffentliche Anatomieschau zumindest unter den Befragten niemanden zu stören.

Dirk Murschall, Fotograf und Blogger aus Nürnberg, fotografierte den Hautlosen mit Irokesenfrisur für eine Postkarte, die pünktlich zur Ausstellung ausliegt. Das Motiv: "Atlas" am Nürnberger Hauptmarkt. Bereits frankiert, kann die Karte an Bekannte, Freunde oder Verwandte verschickt werden. Wer sie an der Kasse zeigt, erhält einen Audio-Guide kostenlos. Auf die Besucher warten rund 200 Plastinate, darunter auch zehn Ganzkörperplastinate wie "Atlas".

Die Ausstellung "Körperwelten. Eine Herzenssache" legt ihren Schwerpunkt auf das Herz mit seinem verzweigten Gefäßsystem. Sie zeigt zum einen, wie kleine Veränderungen im Alltag dem eigenen Gesamtzustand zugute kommen können, aber auch die emotionalen Facetten dieses Organs.

Die Anatomieschau im ehemaligen Quelle-Areal an der Fürther Straße kann täglich von 9 bis 19 Uhr und am Wochenende sowie an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr besucht werden.

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