Kulturelle Missverständnisse in Frankens Amtsstuben

11.4.2014, 06:00 Uhr
Kulturelle Missverständnisse in Frankens Amtsstuben

© mp plus

Ein Mann mit ausländischem Aussehen betritt die Behörde. Er wendet sich mit seinem Problem an die junge Mitarbeiterin. Die will sich kulturell korrekt verhalten - und gibt dem Mann lieber nicht die Hand zur Begrüßung. Das sei in seinem Herkunftsland nicht üblich, hat sie gehört. Der Mann lebt aber schon lange in Nürnberg, schüttelt durchaus weibliche Hände und empfindet ihr Verhalten als unhöflich. Sie wiederum versteht seine Reaktion nicht. Eine gute Voraussetzung, sein Anliegen zu klären? Keinesfalls.

Trotzdem kommen solche Missverständnisse, wie dieser reale Fall, häufig vor. „Interkulturelle Situationen sind im Behördenalltag die Regel, nicht die Ausnahme“, erklärt Michael Greißel. Er arbeitet als Trainer für interkulturelle Kompetenz mit dem Ziel, solche zwischenmenschlichen Zündsätze für Konflikte zu entschärfen. In Workshops sensibilisiert er Mitarbeiter der verschiedenen Ämter und Behörden; sie sollen aus dem „wir und die anderen“-Denken herauskommen.

Konkret heißt das: „Es geht nicht darum zu lernen, wie ich nun mit ,den Türken‘ oder ,den Albanern‘ umgehe - sondern darum, zu erkennen, welcher Mensch da vor mir steht“, sagt Greißel. Lebt er oder sie schon lange hier? In welcher Lage befindet sich die Person? Was ist ihr Problem? Auch sollen die Teilnehmer lernen, wie es sich anfühlt, „fremd zu sein“ - um so Verständnis für die andere Seite zu wecken.

Ein Nachteil ist laut Greißel die Tatsache, dass in den kommunalen Verwaltungen nur wenige Fachkräfte ausländischer Herkunft tätig sind - nur rund zehn Prozent. Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch im Schulwesen ab. Doch das soll sich ändern. Mit dem Programm zur interkulturellen Öffnung der Kommunen (Pik) wollen die Städte die Willkommenskultur Realität werden lassen.

Menschliche Trennlinie soll fallen

Seit zwei Jahren läuft Pik bereits, Greißels Workshops, die durch alle Ebenen, von Nachwuchs- bis zu Führungskräften stark nachgefragt werden, sind ein Teil davon. Statt der ursprünglich geplanten 180 Personen wird die Teilnehmerzahl wohl bald bei 360 liegen.

Was Greißel besonders freut: Nicht nur die naheliegenden Behörden, wie das Ausländeramt, nehmen teil, sondern beispielsweise auch Ordnungsämter oder Bauordnungsbehörden. Mit speziellen Berufsporträt-Videos wollen die Kommunen außerdem um Azubis mit Migrationshintergrund werben. Finanziert wird Pik durch das Bundesprogramm Xenos und den Europäischen Sozialfonds, die Organisation liegt in den Händen der mp plus GmbH, für die Greißel tätig ist.

Doch kompetentes Personal ist für Erlangen nur eine Seite der Medaille: Die Hugenottenstadt geht die Willkommenskultur zudem baulich an. Das Stockwerk, in dem sich die Ausländerbehörde befindet, soll offener und gemütlicher werden. Ein Konzept ist in Arbeit, Anfang 2015 soll es dem Stadtrat vorgelegt werden. Die typischen Thresen sind schon jetzt aus einem der Zimmer verschwunden.

„So entfällt nicht nur eine räumliche Trennlinie zwischen Behördenmitarbeiter und Besucher, sondern auch eine menschliche“, erklärt Bürgermeisterin Elisabeth Preuß. Abgesegnet hat der Stadtrat bereits einen Bonus für mehrsprachige Bewerber bei der Personalauswahl.

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