Künstliche Intelligenz: Wie groß ist die Angst vor Robotern?

21.10.2018, 08:22 Uhr
Sebastian Reitelshöfer von der FAU präsentierte beim Abend der Künstlichen Intelligenz den kleinen Roboter Nao.

© Stefan Hippel Sebastian Reitelshöfer von der FAU präsentierte beim Abend der Künstlichen Intelligenz den kleinen Roboter Nao.

Doch trotz der immer höheren Leistung von Rechnern ist ein solches Horrorszenario für Sebastian Reitelshöfer nicht abzusehen. "Ein menschlich anmutender Roboter bekäme aktuell sofort einen Schwerbehindertenausweis", sagt der Ingenieur vom Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik an der Friedrich-Alexander-Universität.

So kann der kleine Nao, den Reitelshöfer in den vollbesetzten Saal des Museums für Kommunikation mitgebracht hat, zwar selber aufstehen und das, was er sagt, mit Gestik unterstreichen. Aber seine Elektromotoren laufen schnell heiß, der Akku hat nur eine kurze Laufzeit. Und wirklich verstehen kann er uns auch nicht, selbst wenn es so scheint. "Wir können mit Robotern heute nur einzelne Elemente nutzen, die auf Künstlicher Intelligenz beruhen", so Reitelshöfer. Auch wenn im Internet Videos von Robotern kursieren, "die durch den Wald laufen oder einen Rückwärtssalto machen", sind die Maschinen sehr weit entfernt von menschlicher Motorik oder gar Intelligenz. Was aber gleichzeitig für Reitelshöfer wie auch die vielen anderen Experten, die zu der dreistündigen und von NN-Redakteurin Franziska Holzschuh moderierten Veranstaltung gekommen waren, nicht ausschließt, dass KI in den nächsten Jahrzehnten unser Gesellschaftssystem komplett umkrempelt.

Nach einem "langen Winter" ist für die KI-Forscher längst der Frühling angebrochen, wie Ute Schmid als Professorin für angewandte Informatik an der Uni Bamberg sagt. Auch, weil Unternehmen und Politik dem Thema ein riesiges Potential zuschreiben. "Künstliche Intelligenz ist der Schlüssel zu Innovationen, die die Produktion in Deutschland, als Industrieland, grundlegend verändern werden", sagte vor kurzem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier.

Blick in die Glaskugel

Wie genau diese Veränderungen aussehen, mit welcher Geschwindigkeit Umwälzungen mit welchen Folgen stattfinden werden, ist aktuell kaum abzusehen. Weder für die Politik, die für Schmid ein grundsätzliches Interesse an KI bei gleichzeitig fehlendem Fachwissen hat, noch für die vielen Spezialisten aus verschiedensten Forschungsbereichen, die sich mit dem Thema aktuell beschäftigen. "Wir stehen an einer Weggabelung", sagt Matthew Ulbrich als Mitbegründer des Regensburger Start-ups Tickeroo.


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Aktuell besteht für ihn eine Art Ungleichzeitigkeit, eine Schere zwischen den bereits sehr hohen Erwartungen an die Künstliche Intelligenz und dem, was Computer im Moment leisten können. Doch für ihn steht außer Zweifel, dass sich die Entwicklungsschritte immer schneller und schließlich exponential vollziehen werden. "In zehn, 15 oder 20 Jahren wird so viel Rechenleistung zur Verfügung stehen, um den Menschen abbilden zu können." Vielleicht nicht in allen Bereichen, aber doch in vielen: Den Lkw-Fahrer, den Kapitän an Bord von Schiffen oder im Flugzeugcockpit, den Steuerberater wird dann niemand mehr brauchen, wie auch Michael Kohlhase als Erlanger Professor für Wissensrepräsentation und -verarbeitung meint.

Das wird auch Auswirkungen auf den Journalismus haben, glaubt NN-Chefredakteur Michael Husarek. Einen Teil der Tätigkeiten, die heute von Redakteuren erledigt werden, könnten durchaus von Roboter-Journalisten übernommen werden. Aber zur Aufbereitung von Informationen etwa in Reportagen ist mehr nötig. "Künstliche Intelligenz hat keine soziale Kompetenz, keine Emotion oder Humor", so Husarek, der sich in dieser Hinsicht keine Sorgen um den Fortbestand des Journalismus macht. Dennoch darf nicht sorglos mit dem Thema umgegangen werden, sagt der Medienethik-Professor Christian Schicha. Alle, vor allem die Politik, müssten sich jetzt Gedanken über neue "gesellschaftliche Konzepte" machen – und darüber, wie Künstliche Intelligenz vielleicht helfen kann, unsere Demokratie zu schützen. "Wenn uns die KI zu viel abnimmt, können wir auch viel Dummheit erzeugen", warnt Ute Schmid.

Ohne Kontrolle geht es nicht

KI braucht für Schmid in jedem Fall strenge Kontrollmechanismen. Letztlich müsse der Mensch immer die Oberhand behalten, damit sich autonome Computersysteme nicht zu weit ausbreiten. Vor diesem Hintergrund sollte in ihren Augen auch jeder Informatiker, egal ob in der Forschung oder in einem gewinnorientierten Unternehmen "sein bestes geben und sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sein". Vielleicht wird aber in Zukunft die bewusste Entscheidung, Dinge nicht zu tun, obwohl sie möglich wären, zur größten Herausforderung werden.

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