Lokaljournalisten müssen intensiver nachhaken

22.6.2018, 13:24 Uhr
Lokaljournalisten müssen intensiver nachhaken

© Michael Matejka

Ob in Oberfranken, in Sachsen oder im Sauerland – viele Dörfer und Kleinstädte schrumpfen. Die Jungen ziehen nach Berlin, München oder Hamburg, die Älteren stehen irgendwann an einer Bushaltestelle, die nicht mehr bedient wird. Schwimmbäder werden geschlossen, das Krankenhaus ebenfalls. Auch so sieht, grob vereinfacht, ein gesellschaftliches Phänomen aus, das als demografischer Wandel seit vielen Jahren diskutiert wird.

Zu lange habe "die große Politik" die Brisanz verkannt, kritisiert Andreas Hollstein. Der jetzt wieder entdeckte Begriff "Heimat" sei zwar ein Versuch, darauf zu reagieren – doch er komme zu spät. Hollstein ist Bürgermeister von Altena, einer nordrhein-westfälischen Kleinstadt mit – noch – 17.000 Einwohnern. Und er ist CDU-Mitglied. Bekannt wurde der heute 55-Jährige im November vergangenen Jahres, als er von einem gleichaltrigen Mann mit einem Messer am Hals verletzt wurde. 

In der Sache lässt Hollstein sich nicht beirren. Und auch mit dem langsamen Ausbluten Altenas will er sich nicht abfinden. Beim Forum Lokaljournalismus im Nürnberger Messezentrum diskutiert er deswegen mit Medienvertretern, wie es weitergehen kann – denn auch die stehen oft noch ratlos vor bröckelnden Auflagen und sinkenden Einnahmen. Schrumpfen werde man eh, sagt der Bürgermeister. Man müsse damit umgehen.

Schnelles Internet auf dem Land

In der Konkurrenz mit den Großstädten will er deshalb für "gleich lange Spieße sorgen", zum Beispiel mit schnellem Internet. Nur damit könnten beispielsweise Architekten ihr Büro auf dem Land aufmachen, statt in der City. Viele jüngere Menschen würden durchaus gerne draußen wohnen, wenn es dort die entsprechenden Chancen für sie gäbe, meint auch Petra Klug von der Bertelsmann-Stiftung.

Bessere Infrastruktur kann eine Gemeinde alleine kaum schaffen – doch es geht vielleicht auch eine Nummer kleiner als mit dicken Glasfaserkabeln. Mit einem Klo zum Beispiel: Uwe Vetterick, Chefredakteur der Sächsischen Zeitung aus Dresden, hat gute Erfahrungen damit gemacht, wenn seine Reporter sich um vermeintliche kleine Problemchen kümmern. Fehlende öffentliche Toiletten etwa. Es ist ein Plädoyer für lösungsorientierten Journalismus. Wichtig dabei: Auch nach der ersten Problembeschreibung müssen die Redaktionen am Ball bleiben, nachhaken, schauen, ob und warum es anderswo besser läuft.

Weitere Beispiele: Das Schwabacher Tagblatt hatte erst vor kurzem viel Zuspruch für mehrere Berichte zu einer Ampel erhalten, an der Passanten teils minutenlang auf Grün warten müssen. Nun reden Stadt und Staat noch mal darüber. Die Nürnberger Nachrichten, so berichtet Audience-Development-Redakteurin Barbara Zinecker, ernteten positives Echo auf ihre Funkloch-Aktion. Leser konnten melden, wo der Handyempfang versiegt; mit den Ergebnissen wurden dann Politik und Netzbetreiber konfrontiert. Das ganze Ausmaß sei so zum ersten Mal sichtbar geworden. Und wer an solchen Themen dranbleibe, der komme auch an, auf Papier und online, so Zinecker, die ihre Aufgabe darin sieht, "Lesertante 2.0" zu sein. Immer auf der Suche danach, was im Netz gut läuft, ohne dabei Leserbriefe oder Anrufe auszublenden.

Kaum fürs Abo zu gewinnen

Früher oder später werde sich dieser Ansatz auch in Euro auszahlen, hofft Vetterick von der Sächsischen Zeitung. Bei guter Recherche mangele es einer Kleinstadtredaktion nicht an Inhalten. "Wir haben kein Contentproblem", sondern eines mit der Bezahlung. Man habe zwar das treue Printpublikum geerbt, doch wer jünger als 55 ist, sei zumindest in Sachsen nicht mehr für ein Abo zu gewinnen. "Das neue Publikum müssen wir uns erst erarbeiten", betont er.

Nicht nur in Sachsen und Franken setzen Redaktionen daher verstärkt darauf, Probleme vor Ort nicht nur zu be-, sondern dagegen anzuschreiben. Doch sind die politischen Entscheider bereit, auf Vorschläge von Medien einzugehen? Durchaus, bestätigt Bürgermeister Hollstein. So lange die Journalisten sachlich blieben und eine "angemessene Distanz" wahrten. "Ich halte nichts von einer Verbrüderung."

Den Job der Journalisten wolle er ebenso wenig übernehmen, etwa mit vielen eigenen Kanälen. Er kommuniziere zwar "hybrid", also auch im Internet. Eine kleine Stadtverwaltung wie die seine könne aber nicht rund um die Uhr auf Facebook erreichbar sein. Wichtiger sei ihm als Bürgermeister, alle zwei Wochen auf dem Marktplatz präsent zu sein. Und dort mit den Leuten zu "klönen".

Das 24. Forum Lokaljournalismus wird unterstützt von den Unternehmen Nürnberg Messe, Nürnberger Versicherung, Datev und Sparkasse Nürnberg.

 

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