Lokführer-Streik: Regionalverkehr in Bayern weniger betroffen

20.10.2014, 08:19 Uhr
Auch am Nürnberger Hauptbahnhof wurde am Wochenende gestreikt.

© Mark Johnston Auch am Nürnberger Hauptbahnhof wurde am Wochenende gestreikt.

Die Bayern haben gelassen auf den Lokführer-Streik über das ganze Wochenende reagiert - das große Chaos blieb aus, und auch auf den Straßen ging es überraschend ruhig zu. Ab Montag sollen wieder alle Züge rollen.

Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, kündigte eine siebentägige Streikpause ab Montag an. Von Samstag früh bis Montag früh 4 Uhr fuhren die Züge der Deutschen Bahn auch in Bayern nur nach einem stark ausgedünnten Notfahrplan. Jeder dritte ICE fuhr noch.

Weit besser sah es im Nahverkehr aus: "In Hessen und Bayern konnten gut die Hälfte der Regionalzüge gefahren werden", teilte die Deutsche Bahn am Sonntagnachmittag mit. Außerdem waren auch die vielen Züge der privaten Bahngesellschaften unverändert im Einsatz.

Auf einigen Strecken kamen auch Busse zum Einsatz. Die meisten S-Bahnen in München und Nürnberg fuhren im Stunden-Takt. Zum Münchner Flughafen verkehrte die S8 ab Pasing halbstündlich.

Nacht auf dem Bahnhof

Einige Reisende mussten wegen des Streiks die Nächte zum Samstag und zum Sonntag am Bahnhof verbringen. In München funktionierte die Deutsche Bahn einen Nachtzug zur Herberge für gestrandete Reisende um.

Die Lage auf den Bahnhöfen schien aber entspannt, es herrschte weniger Betrieb als gewöhnlich - auch weil viele Fußballfans am Samstag per Bus oder Auto anreisten oder zu Hause blieben. „Die Leute haben sich mit der Situation arrangiert“, sagte der Bahnsprecher. Die Deutsche Bahn verstärkte ihr Service-Personal in den Bahnhöfen. Viele Reisende hätten sich aber vorab informiert und Alternativen gesucht.

Gutes Wochenende für Fernbus-Anbieter

Von den Zugausfällen profitierten Fernbus-Anbieter. Flixbus etwa rechnet mit einem Umsatzanstieg von über 30 Prozent an diesem Wochenende. "Für uns war es ein Rekord-Wochenende", sagte Sprecherin Bettina Engert am Sonntag in München. "Wir haben Zusatzbusse und Doppeldecker eingesetzt. Vor allem die Linien von und nach Frankfurt waren komplett ausgebucht."

Einen Ansturm verzeichneten auch die ADAC-Post-Busse: "Wir hatten dieses Wochenende 50 Prozent mehr Buchungen, und wir haben alle verfügbaren Reisebusse aktiviert", sagte ADAC-Sprecherin Maxi Hartung in München. Die meistgefragten Strecken seien Frankfurt - Köln, Hamburg - Münster und Berlin - Hannover gewesen.

Ruhe auf den Autobahnen

Auf den Straßen war am Wochenende überraschend wenig los - trotz Streiks, schönsten Ausflugswetters und Herbstferien in elf Bundesländern. „Auf den Autobahnen ist es heute genauso erstaunlich ruhig wie am Samstag“, sagte Hartung am Sonntag. „Wir waren etwas überrascht.“ Der Autofahrerclub hatte mit dicken Staus gerechnet. Tatsächlich gab es auf den traditionellen Staustrecken wie der Münchner Ostumfahrung A99 Behinderungen. „Aber nicht mal auf der A8 war viel Stau“, sagte Hartung.

Schon am Samstag „war Verkehr eher wie an einem normalen ruhigen Samstag und nicht wie an einem Ferien-Wochenende mit Streik.“ Die Bürger hätten sich offensichtlich sehr gut informiert und entsprechend reagiert.

Der Mitarbeiter einer Autovermietung am Münchner Bahnhof sagte am Samstag: „Es ist vielleicht ein bisschen mehr los als sonst, aber das große Geschäft ist das heute bei weitem nicht.“ Taxifahrer und Verkäufer in Läden in der Bahnhofshalle warteten gelangweilt auf Kunden, einige äußerten sich genervt.

Unstimmigkeiten bei der Urabstimmung?

Die Lokführergewerkschaft GDL hat den Vorwurf von Unstimmigkeiten bei der Urabstimmung zum laufenden Streik zurückgewiesen. "Nach der Arbeitskampfordnung und der Satzung der GDL ist die Urabstimmung rechtens und absolut wasserdicht", teilte die Gewerkschaft am Sonntag in Frankfurt mit.

"Wäre dem nicht so, stünden wir schon längst vor Gericht." Laut GDL hatten sich vor dem Streik 91 Prozent der an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder für einen Arbeitskampf bei der Deutschen Bahn ausgesprochen.

Eine Bahn-Sprecherin forderte Klarheit von der Gewerkschaft: "Schon im ureigenen Interesse und dem ihrer Mitglieder muss die GDL das möglichst schnell und lückenlos aufklären" - auch, um zu wissen, was von den Streiks zu halten sei.

Betroffene Strecken in der Region

Regionalzüge fahren die Haltestelle Kinding und Allersberg wegen des Streiks nicht an. Reisende mit Nahverkehrsticket sind nach Angaben der Bahn aber am Samstag berechtigt, Fernverkehrszüge zwischen München Hauptbahnhof und Nürnberg Hauptbahnhof zu nutzen. Diese halten allerdings nur in Kinding, Allersberg und Ingolstadt. Auch für den Sonntag wurde ein zusätzlicher Pendel zwischen Nürnberg und München eingerichtet.

Einige Regionalzüge, die zwischen Nürnberg und Donauwörth fahren, werden am Sonntag aufgrund eines Systemfehlers nicht bei der Fahrplanauskunft unter www.bahn.de angezeigt. In unserem Streckenticker haben wir für Sie jedoch alle Züge aufgelistet, die am Sonntag zwischen Nürnberg und Donauwörth fahren.

Auf den Strecken zwischen Roth und Hilpoltstein, Gunzenhausen und Pleinfeld, Rothenburg und Steinach werden die Züge durch Schienenersatzverkehr ersetzt.

Verstärkter Druck auf Unternehmensleitung

Am Freitag hatte die Bahn ein neues Tarifangebot vorgelegt - ohne Erfolg. Das Unternehmen bat seine Fahrgäste, sich auf der Bahn-Internetseite über die Ersatzfahrpläne zu informieren. Die GDL will mit dem Ausstand den Bahnverkehr in ganz Deutschland lahmlegen und so den Druck auf die Unternehmensleitung erhöhen.

Die GDL fordert fünf Prozent mehr Lohn und eine kürzere Arbeitszeit. Außerdem strebt sie die Federführung bei Tarifverhandlungen auch für Zugbegleiter und andere Bahnmitarbeiter an, die bislang von der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vertreten werden.

Bahn-Vorstand Ulrich Weber kritisierte den Streikaufruf der Lokführergewerkschaft scharf. "So kurzfristig und in dieser Dimension sind die Streiks völlig verantwortungslos und an der Grenze zur Irrationalität", sagte der Manager der Bild-Zeitung. Weber bemängelte, dass sich die Gewerkschaft trotz des jüngsten Tarifangebots "keinen Millimeter" bewege.

Der Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE), Josef Sanktjohanser, kritisiert die GDL ebenfalls hart. Er sagte dem Blatt: "Das ist eine riesengroße Verantwortungslosigkeit der GDL. Wenn die Kunden wegbleiben und die Ware nicht ankommt, weil die Bahn nicht fährt, ist das eine absolute Katastrophe für unsere Unternehmen und Beschäftigten."

Erst am Mittwoch streikten die Lokführer ab 14 Uhr und sorgten so für Chaos im Feierabendverkehr. Auch Nürnberg und die Region traf dieser Streik hart. Pendler wichen auf den Straßenverkehr aus, was zu zahlreichen Staus und stockendem Verkehr führte.

Kleiner Trost für die gebeutelten Passagiere: Fahrgäste von Zügen, die wegen des Streiks ausfallen, können ihre Fahrkarten im DB Reisezentrum oder in den DB Agenturen und bei Online-Tickets über www.bahn.de kostenlos erstatten lassen.

Der Artikel wird laufend aktualisiert.

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