Alternativen für bewusste Konsumenten

Made in China: Wo gibt's in Nürnberg "faires" Spielzeug?

11.12.2018, 06:00 Uhr
Made in China: Wo gibt's in Nürnberg

© Michael Matejka

"Mit Menschenrechten spielt man nicht." Mit diesem Plakat-Slogan erinnert die Arbeitsrechtsorganisation Christliche Initiative Romero (CIR) im Weihnachtsgeschäft an die Schattenseite von Kuschelbär, Eisprinzessin und Holzlokomotive: Für viele populäre Spielzeugmarken schuften Arbeiter unter prekären Umständen.

Verdeckte Ermittler der CIR und von China Labor Watch untersuchten jüngst vier chinesische Fabriken. Niedriglöhne und maßlose Überstunden, ungeschützter Umgang mit Giftstoffen und Unfälle, unhygienische Schlafbereiche gehören dort zum Alltag. Zu den Auftraggebern zählen die Weltkonzerne Mattel, Hasbro, Disney, aber beispielsweise auch das Fürther Unternehmen Simba-Dickie. Beinahe jedes zweite Spielzeug auf dem deutschen Markt ist "made in China". Wenn Konsumenten das ändern wollen, müssen sie ihre Macht nutzen, sagen Experten.

Aber: Wen kümmert’s? Ethische Sorgen ums Spielzeug sind kein Thema der Masse, das stellt die Nürnberger Zeitung bei einem Testrundgang in der Innenstadt fest. In vier Läden wollen wir herausfinden, ob sich Hinweise auf sauber arbeitende oder in Deutschland produzierende Firmen sammeln lassen. Die Verkäuferin in der Spielzeugabteilung von Müller ist auskunftsbereit. Nur: Über die Herkunft der Ware kann sie kaum etwas sagen, gesteht sie und verweist dann nach kurzem Überlegen auf Lego. "Es ist eine dänische Firma." Doch gleich auf der ersten Verpackung, die wir im Geschäft zur Hand nehmen, steht mit kleinem Schriftzug gedruckt, dass Einzelteile aus China kommen. Entschuldigend meint die Verkäuferin: "Wir Verkäufer kriegen die Ware, aber woher sie kommt, wissen wir nicht." Von den Arbeitsbedingungen vor Ort ganz zu schweigen.

Bei Kaufhof fällt das Gespräch mit einer der Verkäuferinnen ganz knapp aus. Auf die Frage nach der Herkunft der Spielsachen sowie Arbeitsbedingungen vor Ort meint sie: "Wo die Ware hergestellt ist, steht auf der Verpackung, aber alles andere können wir nicht wissen." Bei Karstadt sorgt die gleiche Frage für Verwunderung: "Sie sind die Erste, die danach fragt. Die Kunden fragen nicht nach, sie kaufen", sagt die Mitarbeiterin. Wenn eine Frage komme, dann gehe es nur darum, ob das Spielzeug für die Gesundheit des eigenen Kindes unbedenklich sei.

Im Fachgeschäft Pfiffikus in der Nähe des Weißen Turms sieht es anders aus. Holz ist hier das dominierende Material. Und die Verkäuferin kann viele Informationen zu den einzelnen Produkten liefern. Es gibt dort viele Firmen zu finden, die in Deutschland herstellen. Wobei nicht immer das Herstellungsland, sondern die Arbeitsbedingungen und die Qualität der Produkte entscheidend sind, erläutert die Frau. "Wir achten darauf, dass wir gute Sachen aus guter Produktion anbieten", sagt sie. So hat der Laden die Produkte eines großen Herstellers aus dem Sortiment genommen, nachdem es negative Berichte über seine Lieferanten gab. Die Kunden, die den Laden aufsuchen, tun es offensichtlich gezielt. Der Laden hat seine Nische gefunden. "Sehr viele fragen, wo und wie die Spielsachen hergestellt wurden", so die Verkäuferin.

Nachfragen, das ist aus Sicht von Menschenrechtsaktivisten tatsächlich ein wichtiger erster Schritt. "Mit jeder Frage beim Händler setzt der Kunde ja ein Kaufsignal", sagt Frank Braun von der Nürnberger Nachhaltigkeitsorganisation Bluepingu. "Wenn der Ladeninhaber das nur einmal im Jahr hört, zuckt er mit den Achseln. Wenn er aber merkt, dass seine Mitarbeiter jeden Tag zertifizierte Produkte verkaufen könnten, weil die Nachfrage da ist, wird er sich dafür einsetzen, dass mehr davon ins Regal kommt." Denn immer noch gibt es kein Warenzeichen oder Zertifikat für Sozial- und Umweltstandards bei Spielwaren. Und auch keine Fachhändler, die ein entsprechendes Sortiment hätten, von Einzelstücken abgesehen.

Bluepingu ist Mitglied im Bündnis "Fair Toys", das sich in der Spielzeugstadt Nürnberg seit 2001 für einen Wertewandel in der Branche einsetzt. Das Ziel: die deutschen Hersteller dazu bringen, mit Kontroll- und Beschwerdesystemen soziale Verantwortung für ihre Lieferketten zu übernehmen. Im Moment hegt das Bündnis, dem das städtische Menschenrechtsbüro, weltliche und kirchliche Organisationen angehören, wieder mehr Hoffnung auf Besserung. 2018 sei es gelungen, einige Spielzeughersteller für zwei Tagungen in Nürnberg zusammenzubringen, darunter den Branchenriesen Ravensburger, sagt Maik Pflaum von der CIR.

Einige Firmen hätten glaubhaft guten Willen beteuert und versichert, bei ihren eigenen Fabrikkontrollen keine Missstände vorgefunden zu haben. Die Bereitschaft, mit dem Spielwarenverband und Menschenrechtsorganisationen freiwillig einen Verbund für korrekte Produktionsstandards zu gründen, sei da. In einigen Jahren könnte dabei ein Verbrauchersiegel herauskommen. "Wir haben aus der Bekleidungsindustrie viel Wissen gesammelt und glauben, dass das übertragbar ist", sagt Pflaum. An öko-fairer Mode mit verlässlichen Siegeln besteht mittlerweile ein ordentliches Angebot.

Zu einem Kaufboykott rät "Fair Toys" solange nicht. Verbraucher könnten trotzdem dazu beitragen, die Arbeitsrechte in der Spielzeugproduktion zu schützen. "Am wichtigsten ist, auf Langlebigkeit zu achten", sagt Frank Braun. "Man sollte nichts kaufen, das nach dreimaliger Benutzung vermutlich kaputtgeht und dann auf einem Elektroschrottplatz in Ghana landet." Dazu gehöre auch, den Secondhand-Markt für gut erhaltene Spielsachen zu nutzen, sei es auf Flohmärkten oder Onlineplattformen. "Lego, Playmobil, Fischer-Technik nicht im Keller verstauben lassen, sondern unbedingt weitergeben."

Ansonsten bleibe nur die Möglichkeit, zielstrebig nach Marken zu suchen, die in Deutschland produzieren lassen. Auch "made in EU" sei leider keine Garantie für korrekte Arbeitsbedingungen, sagt Braun – in Südosteuropa werde oft unter ähnlichem Preisdruck wie in Fernost gehandelt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kunden heute 40 Prozent der Spielwaren im Internet einkaufen, berichtet Pflaum. Hier fehlt die Transparenz gänzlich. Abzuraten sei von Plattformen, die Ware direkt vom Hersteller aus China schicken lassen, sagt Jürgen Bergmann von Mission Eine Welt. Die bekannteste, Taobao, werfe Waren aus unkontrolliert arbeitenden Heimbetrieben auf den Markt. Hier hole sich der Kunde obendrein leicht Produkte mit Sicherheitsmängeln oder Schadstoffen ins Haus.

Die vermeintliche Hochwertigkeit einer Puppe oder eines Baukastens ist andererseits kein Indiz für menschenwürdig bezahlte Arbeiter. Gerade mal einen Cent, hat der "Toys Report 2018" ausgerechnet, erhält eine Arbeiterin in der südostchinesischen Fabrik Wah Tung für eine Disney-"Sing und Schimmer"-Prinzessin. 1900 davon stellt sie täglich her, an 26 Tagen im Monat. Beim Versandhändler Amazon kostet die Puppe runde 30 Euro.


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