Malys Appell an die Polizei: "Macht das bitte nicht mehr!"

1.6.2017, 18:39 Uhr
Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly verwahrt sich gegen Abschiebungen aus dem Unterricht heraus und bittet die Polizei, davon Abstand zu nehmen.

© Hans-Joachim Winckler Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly verwahrt sich gegen Abschiebungen aus dem Unterricht heraus und bittet die Polizei, davon Abstand zu nehmen.

Herr Maly, in der Stadt der Menschenrechte gehen Polizisten mit Schlagstöcken und Pfefferspray auf Schüler los, die sich mit einem Flüchtling solidarisieren. Hat die Polizeiführung hier versagt?

Ulrich Maly: Das habe ich nicht zu bewerten. Aber dass der Einsatz aus den Fugen geraten ist, hat man gesehen. Der Verweis auf die Stadt der Menschenrechte ist an der Stelle aber schwierig, weil es sich nach geltendem Recht um einen Menschen handelt, der ausreisepflichtig ist. Die Polizei darf ihn überall dort holen, wo sie glaubt, dass er ist, aber sie muss das nicht. Insofern ist mein Appell an die Polizei: Macht das bitte nicht mehr! Denn das ist für alle Klassenkameraden, die sich – menschlich verständlich – solidarisiert haben, ein Beitrag zur Staatsverdrossenheit, weil sie die Vorgeschichte und die Rechtslage nicht kennen und nur sehen, da kommen Uniformierte in die Schule und holen einen Klassenkameraden. Das geht nicht.

Wie oft kommt so etwas denn vor?

Maly: Es gab an einer Hand abzählbare Fälle. Das hat dazu geführt, dass sich die Schuldirektoren und Schulbürgermeister Klemens Gsell an mich gewandt haben, weil sie das nicht wollen. Man kann kein Gesetz machen, das der Polizei verbieten könnte, in Schulen zu gehen. Wenn sie einen Auftrag erhält, ist sie verpflichtet, diesen zu erfüllen. Aber es gibt ja auch unterhalb der gesetzlichen Regelungen die Möglichkeit, die Vernunft walten zu lassen. Und die Vernunft geböte es, das künftig möglichst nicht mehr so zu machen.

Die CSU wirft Ihnen vor, Sie sollten sich lieber hinter die Beamten stellen, statt Kritik am Einsatz zu üben. Schließlich seien die - ich zitiere aus einer Pressemitteilung - "ungeschützten Beamten mit Flaschen und schweren Gegenständen beworfen" worden. "Schwerste Verletzungen und sogar der Tod wurden dabei anscheinend in Kauf genommen", meint der Arbeitskreis Polizei der CSU allen Ernstes.

Maly: Ich stehe immer hinter der Nürnberger Polizei, wenn das geht und angebracht ist. Ich betreibe keine Polizistenschelte. Das Grundthema ist Abschieben nach Afghanistan. Hier ist die bayerische Polizei völlig unschuldig. Das ist eine Rechtslage, die der Bund hergestellt hat. Jetzt gibt es erfreulicherweise eine Diskussion darüber, ob man Menschen, die vor Bedrohung geflohen sind, dorthin zurückschicken kann, wo sie wieder bedroht werden.

"Abschiebungen nach Afghanistan sind unzumutbar."

Bundesinnenminister de Maizière blieb zunächst dabei, Bayerns Innenminister Herrmann hält Abschiebungen nach Afghanistan für "zumutbar." 

Maly: Ich halte es nicht für zumutbar. Wir haben uns bereits auf allen Ebenen gegen Abschiebungen nach Afghanistan eingesetzt. Brieflich auf der Basis eines Stadtratsbeschlusses, und ich habe es vor zahlreichen Zeugen im Hauptausschuss des Deutschen Städtetags getan, als Thomas de Maizière da war.

Innenminister Herrmann hat das Vorgehen der Polizei, das mittlerweile bundesweit Schlagzeilen macht, lange nicht öffentlich kommentieren wollen. Sie haben ihn beim Deutschen Städtetag in Nürnberg getroffen. Haben Sie mit ihm über den Einsatz gesprochen?

Maly: Ja, natürlich. Aber im Interview möchte ich nichts dazu sagen.

"Kommune ist nicht mehr zuständig."

Die Nürnberger Grünen fordern, dass die Stadt jetzt alle rechtlichen Spielräume nutzt, um Abschiebungen nach Afghanistan zu verhindern. Welche Möglichkeiten hat die Kommune?

Maly: Gar keine. Man hat uns die Zuständigkeit entzogen. Die Nürnberger Ausländerbehörde hat mit Afghanistan nichts mehr zu tun. Die Zentrale Ausländerbehörde der Regierung von Mittelfranken bearbeitet diese Fälle.

Und was kann die Stadt für den 21-jährigen Flüchtling tun?

Maly: Wir werden ihn natürlich weiter beschulen.

Die Schulleitung der Berufsschule, aus der der Afghane gezerrt wurde, muss der Polizei ja zumindest gesagt haben, wo der junge Mann zu finden ist. Hätte die Schule nicht die Möglichkeit gehabt, da nicht mitzuspielen?

Maly: Ich halte es für schwierig, von Schulleitern einen Rechtsverstoß zu verlangen. Wir dürfen das nicht auf den Kollegen abladen. Wir müssen versuchen, zu einem modus vivendi zu kommen, der diese Situation gar nicht erst entstehen lässt. Das ist mein politischer Auftrag dabei. 

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