Menschenrechtspreis geht an syrische Gruppe "Caesar"

26.9.2016, 16:04 Uhr
Menschenrechtspreis geht an syrische Gruppe

© Reuters/Jonathan Ernst

"Es wird die ungewöhnlichste Preisverleihung, die wir je hatten. Denn selbst wir kennen weder seinen Namen noch sein Gesicht", räumt Oberbürgermeister Ulrich Maly ein. "Es gibt nur eine Geschichte, aber die hat es in sich." So sei die Entscheidung der internationalen Jury nach eingehender Diskussion einstimmig gefallen. Zum einen, weil der Syrienkonflikt die Welt wie derzeit kein anderer in Atem hält.

Zum anderen wegen des besonderen Bezugs zu Nürnberg: So wie hier vor 70 Jahren den NS-Kriegsverbrechern der Prozess gemacht wurde, müssten auch die Verantwortlichen der grauenhaften Untaten in Syrien zur Rechenschaft gezogen werden – und die Bilder von "Caesar" wären in einem solchen Verfahren Beweise erster Güte. "Es kann keine Versöhnung geben ohne juristische Gerechtigkeit", unterstreicht Maly.

"In einem Fall wie Syrien dürfen eigentlich weder die Vereinten Nationen noch andere Organisationen irgendeine Art von Ausgewogenheit praktizieren", sagt auch Jury-Mitglied Prof. Gareth Evans, früherer australischer Außenminister und Angehöriger verschiedener internationaler Gremien. "Man kann die Untaten nur benennen, beschreiben und bestrafen."

Ein starkes Zeichen setzen

"Caesar" hatte für seine schockierenden Bilder vielfach sein Leben riskiert; nur mit engagierten Helfern gelang es, die Aufnahmen ins Ausland zu schmuggeln. Sie zeigen schwer erträgliche Ansichten von grausam misshandelten, entstellten und zu Tode gequälten Opfern und waren verschiedentlich auch bei Ausstellungen zu sehen, beispielsweise im UN-Hauptquartier in New York und vor Abgeordneten des Auswärtigen Ausschusses im US-Repräsentantenhaus.

Dem von Russlands Präsident Putin gestützten Assad-Regime gilt der Fotograf längst als Staatsfeind (der sich daher womöglich auch vor russischen Agenten fürchten muss). Schutz hat er in Nordeuropa und in der Anonymität gesucht und gefunden. Lediglich eine französische Journalistin konnte in den vergangenen Jahren direkten Kontakt zu ihm aufnehmen und über sein Engagement ein Buch veröffentlichen.

"Wir rechnen nicht damit, dass wir ihn in einem Jahr tatsächlich persönlich in Nürnberg begrüßen können", so OB Maly. Zwar war vor fünf Jahren auch dem iranischen Menschenrechtsanwalt Abdolfattah Soltani die Reise nach Nürnberg versagt worden; doch war er nicht nur durch Fotos präsent, der Preis konnte auch symbolisch und stellvertretend an seine Frau übergeben werden. Diesmal aber ist nicht mal das möglich. "Und es ist leider auch nicht zu erwarten, dass sich die Situation in Syrien bis dahin so zum Besseren wendet, dass er sich öffentlich zeigen kann. Deshalb können wir jetzt nur ein starkes Zeichen setzen".

Die Überlegungen zur genauen Gestaltung der Preisverleihung im kommenden Jahr können jetzt erst anlaufen. Vor allem stellt sich die Frage, wo und wie die Öffentlichkeit mit der erschütternden Brutalität der Bilder zu konfrontieren ist. "Der Preis wird aber auf jeden Fall ein internationales Echo finden", zeigt sich Evans überzeugt.

Die größtenteils schockierenden Bilder der Gruppe "Caesar" können Sie auf der Seite von Human Rights Watch sehen.

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