Messerstecherei in Nürnberg: 29-Jähriger steht vor Gericht

18.7.2017, 18:21 Uhr

"Eine Bar ist ein Ort, den man als sein Wohnzimmer betrachtet. Wo man ein Stück zu Hause ist" – mit diesem Zitat des legendären Münchner Barkeepers Charles Schumann wirbt das "Hinz und Kunz". Doch am 2. Oktober 2016 wurde das "Wohnzimmer" am Marientorgraben zum Schauplatz einer Bluttat.

Die Szenen, die in der Anklageschrift von Staatsanwalt Stefan Rackelmann beschrieben werden, könnten aus dem Drehbuch eines schlechten Films stammen: Mit nacktem Oberkörper, bewaffnet mit einem Messer und einer Stahlrute, baut sich der Angeklagte Emre A. (Name geändert) an jenem Sonntagmorgen vor dem Türsteher des Kneipenclubs auf: "Bring ihn mir, bring ihn mir, hol ihn mir raus, ich bring ihn um", soll er geplärrt haben – seine damalige Wut galt dem Betriebsleiter der Clubs.

Wilden Mann markiert

Gut zehn Monate später sitzt Emre A., flankiert von seinen Verteidigern Jürgen Lubojanski und Alexander Horlamus, vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth.

Versuchter Totschlag mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen wird ihm vorgeworfen, seit jener Nacht sitzt er in Untersuchungshaft. Doch was ihn trieb, warum er den wilden Mann gab, ob er betrunken war oder unter Drogen stand, wieso er in seinem Auto haufenweise Waffen aufbewahrte – Emre A. schweigt. Auch in jener Nacht soll er zunächst still gewesen sein. Angeblich spuckte erst sein gleichaltriger Begleiter große Töne – der Mann muss sich demnächst in einem getrennten

Verfahren wegen Körperverletzung verantworten. Dieser Kumpel soll dem Betriebsleiter in jener Nacht einen Faustschlag verpasst haben, angeblich nur, weil ihm dieser im Gedränge kurz auf die Schulter klopfte, um vorbei zu kommen. Der Schlag führte zum Rauswurf aus dem Lokal – und dies soll vor allem Emre A. in Rage versetzt haben.

Wirt ging auf Angreifer zu

Der 29-Jährige marschierte zu seinem Auto, holte eine Stahlrute, fuchtelte mit einem Doppelmesser, es hat zu beiden Seiten des Griffs eine Klinge, durch die Luft und brüllte nach dem Betriebsleiter. In der Hoffnung, diesen testosterongeplagten Schreihals beruhigen zu können, verließ der Betriebsleiter seinen Club durch den Notausgang und ging auf den Angeklagten zu. Auch ein Stammgast des Lokals wollte helfen, den Streit zu schlichten. Doch Emre A. war offensichtlich nicht zu beruhigen: Er traktierte den Stammgast mit drei Stichen in den Rücken. Noch schlimmer erwischte es den Wirt – ihm stieß er das Messer viermal in Bauch und Brustkorb, eine Notoperation rettete sein Leben.

Vor Gericht entschuldigt sich Emre A., der Verteidiger Lubojanski bietet Schmerzensgeld an. Doch der Wirt winkt ab. Er sei mit dem Schrecken davon gekommen, er will kein Geld. Auf dem Gerichtsflur erklärt er, dass seine Familie aus Kroatien stamme, er aus dem Jugoslawien-Krieg von viel zu viel Not und Leid wisse. "Verzeihen", so sagt er, "ist das Wichtigste, was es im Leben zu lernen gilt. Es ist keine Schwäche, sondern eine Stärke." Der Prozess geht weiter, derzeit wird mit Verhandlungstagen bis in den August gerechnet.