Messie lebte mit 113 Tieren in der Wohnung

9.2.2011, 12:41 Uhr

„Es war alles voller Dreck, Müll und Kleidungsstücken“, sagt Denny Baruch. Im Schlafzimmer der Anfang 50-Jährigen hingen Spinnweben von der Decke, auf dem Fußboden sammelten sich Vogelsand und Futterreste, überall standen verschmutzte Käfige herum, in denen viel zu viele Vögel — vom Kanarienvogel über Wellensittich, Zebrafink bis zu Diamanttäubchen — ihr Dasein fristeten. „In der Küche lag ein alter Schäferhund, neben ihm saß ein Truthahn“, erzählt er. Im angrenzenden Gebäude waren Kaninchen, Meerschweinchen, Hühner, Enten und über 50 Tauben in der Dunkelheit in Käfigen eingepfercht.

Die Amtstierärztin hatte das Tierheim informiert und zu dem Haus in Gebersdorf gerufen, um unzählige Tiere, die dort unter „schrecklichen Bedingungen“ gehalten wurden, abzuholen. Nachbarn hatten auf den Fall aufmerksam gemacht. Mit zwei Fahrzeugen und fünf Mitarbeitern rückte das Tierheim aus. Sie nahmen 73 Vögel, vier Landschildkröten, 20 Kaninchen, neun Meerschweinchen, sechs Enten und ein Streifenhörnchen mit. „Die Halterin hat uns angefleht, dass wir ihr die Tiere lassen sollen — eine typische Reaktion“, weiß Baruch.

Überforderte Tierbesitzer reagieren immer „absolut uneinsichtig und können nicht begreifen, dass man ihnen die Tiere, die sie ja so lieben und denen es so gut geht, abnimmt“, fährt er fort. „Das ist ja das Fatale, sie erkennen ihre Krankheit nicht.“ Und so leben sie in menschenunwürdigen Verhältnissen und meinen, immer mehr Tiere retten zu müssen. In späteren Stadien kommt es zur völligen Verwahrlosung des Tierbestandes. Das Phänomen „Animal hoarding“ (Tierhortung) ist in Amerika bereits als Krankheit anerkannt. Mediziner sprechen von einer psychischen Störung der Sammler. Dabei handelt es sich meist um alleinstehende Frauen im Alter von 35 bis 60 Jahren. Wie auch im aktuellen Fall.

„Das ändert nicht viel“

„Es waren so viele Tiere, wir konnten leider nicht alle mitnehmen. Wir haben gar nicht die Möglichkeit, noch 50 Tauben unterzubringen“, bedauert Baruch. Auch zehn Kaninchen mussten aus Platzgründen zurückgelassen werden, ebenso 20 Hühner, die beiden Truthähne und zwei Hunde. „Sie befinden sich in einem vergleichsweise besseren Gesundheitsszustand, stehen unter Beobachtung und werden so bald wie möglich abgeholt“, ergänzt Baruch. Die Tochter der Halterin wurde informiert, sie hat inzwischen das Haus gesäubert. „Bei der Untersuchung durch unseren Tierarzt zeigte sich der ganze Umfang dieser Tiertragödie“, so Baruch.

„Unzählige Tiere waren krank, hatten eitrige Wunden und so lange Krallen, dass sie kaum mehr laufen konnten.“ Zehn Tiere mussten eingeschläfert werden.

„So wie das alte Jahr geendet hat, geht es jetzt weiter“, bedauert der Tierheim-Chef. Allein in der zweiten Jahreshälfte 2010 musste das Tierheim achtmal ausrücken, um überforderten Haltern Tiere abzunehmen. Zuletzt stellte das Ordnungsamt im November in einer verwahrlosten Zwei-Zimmer-Wohnung in Gostenhof über 60 ungiftige Schlangen sowie 200 Ratten und Mäuse sicher. Die 42-jährige Mieterin hatte die Nager als Lebendfutter gezüchtet. „So eine Häufung wie 2010 hatten wir bislang nie“, sagt Baruch. Die Nachbarn seien aufmerksamer geworden, die Amtsärztin gehe jeder Meldung nach. Der erste bekanntgewordene Fall in Nürnberg war im April 1987. Damals befreite man 156 Katzen und 200 Kleintiere aus einer Wohnung.

Der Tierheim-Chef ist davon überzeugt, dass „die Zahl der Tiersammler weiter steigen wird, weil es heute immer mehr vereinsamte Menschen gibt“. Und wie geht es mit der Frau aus Gebersdorf weiter? Sie bekommt eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Es wird wohl auf ein Bußgeld hinauslaufen. „Doch das ändert nicht viel“, kritisiert Baruch, „man müsste diesen Menschen helfen und sie behandeln.“

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