Ministerpräsident a.D. Günther Beckstein wird 70

22.11.2013, 09:23 Uhr
Ministerpräsident a.D. Günther Beckstein wird 70

© Stefan Hippel

Günther Beckstein kommt. Ministerpräsident a.D. und Jubilar in spe. Am Samstag wird er 70. Anthrazitfarbener Anzug, weißes Hemd, rote Krawatte, auch zu Hause. Er setzt sich. Liest er das Buch? Ja, sagt er, weil er nächstes Jahr mit seiner Frau und Freunden in den Iran reisen will. Er mag es ausgefallen. War bereits in Tibet, in Südamerika, dieses Jahr in Myanmar. „Aber ich bin mit dem Buch noch nicht weit gekommen.“

NZ: Ihr Terminkalender ist also voll?

Beckstein: Früher hatte ich abends zwei, manchmal drei Veranstaltungen. Meine Fahrer haben das immer gehasst: wunderschöne Einladungen, ich halte eine Rede und wenn das Essen aufgetragen wird, müssen wir gehen. Oder das Zeitungs-Interview in Istanbul mit Mehmet (jugendlicher Serienstraftäter, der unter dem bayerischen Innenminister Beckstein abgeschoben wurde, Anm. d. Red.) in einem wunderbaren Hotel, in dem ich mir grad mal meine Hände gewaschen habe. Das mache ich nicht mehr. Ich habe eine Veranstaltung pro Abend oder nehme an einer kompletten Tagung teil. Trotzdem: Bis Ende Januar bin ich ausgebucht.

Günther Beckstein will kürzer treten, ein wenig zumindest. Er ist im CSU-Landesvorstand und im Parteivorstand der CSU Nürnberg. Wie viele Ämter hat er außerdem noch inne? Er überlegt lange. Schließlich sagt er „50. Minimum.“ Fotograf Stefan Hippel und ich würden ihn gerne in seinem Arbeitszimmer fotografieren. Beckstein lacht – und winkt vehement ab. Zu groß seien die Büchertürme, zu hoch die Briefstapel. Und dann liege auch noch das Spielzeug seines Enkels herum.

NZ: Können Sie wickeln?

Beckstein: Natürlich. Ich habe meine eigenen Kinder und auch die Enkel gewickelt. Aber nicht so oft. Das Gespräch, welche Windeln wir verwenden, hat die Stasi sogar abgehört und wörtlich protokolliert. Daran habe ich gesehen, welche Idiotie der Perfektionismus der Überwachung getrieben hat.



NZ: Sie waren fast 40 Jahre im Parlament und sind 40 Jahre verheiratet. Wenn ich Ihre Frau fragen würde, mit wem Sie mehr liiert waren – was würde sie antworten?

Beckstein: Ich war mit beiden intensivst verheiratet. Hätte meine Frau mich vor die Alternative gestellt – die Entscheidung wäre mir extrem schwergefallen. Aber ich war mir sicher, dass ich eine Frau heirate, die das akzeptiert, mich manchmal sogar in die Arbeit hineintreibt.

Wir reden über Höhepunkte und Tiefschläge. Am schmerzlichsten traf ihn die Niederlage bei der Oberbürgermeister-Wahl 1987. „Ich wusste, dass Nürnberg eine traditionell rote Stadt ist, aber ich wollte unbedingt der erste CSU-Oberbürgermeister werden.“ Wochenlang hat der gebürtige Hersbrucker danach überlegt, der Politik den Rücken zu kehren. Dann kam die Chance, stellvertretender Vorsitzender der Landtagsfraktion zu werden. Er stieg wieder in den Ring.

Höhepunkte gibt es viele. Von der ersten Wahl in den Landtag 1974 bis zur Wahl als Ministerpräsident 2007. Spannend war auch die Zeit, als Max Streibls Nachfolge zwischen Theo Waigel und Edmund Stoiber geregelt wurde. „Da hatte ich eine Schlüsselfunktion, die mit hohen persönlichen Risiken verbunden war.“ Er, Beckstein, habe sich an seinem Parteitag in Nürnberg in Anwesenheit des Parteivorsitzenden Waigel für Stoiber starkgemacht – und sich durchgesetzt. Er spricht von Loyalität – er war Stoibers engster Mitarbeiter. Und von Freundschaften über Parteigrenzen hinweg. Zum Beispiel mit Otto Schily. Oder Claudia Roth.

NZ: Aha. Was verbindet Sie?

Beckstein: Das klingt jetzt komisch: Nachdem ich Claudia Roths Meinungen für ziemlich abwegig halte und ihre Art für absolut nervig, ist sie für mich der Prüfstein meiner Toleranz. Was sie auch über mich sagt. Aber sie ist ein starker Typ und kein bisschen aufgesetzt.

NZ: Ihre drei Kinder waren auch mal in der Pubertät. Haben die mal gegen den konservativen Papa rebelliert?

Beckstein: Da haben wir überraschend wenig Probleme gehabt, sie waren unkompliziert. Ob dank meiner Frau oder weil die Kinder vom Wesen her nach ihrem Vater geraten (lacht), weiß ich nicht. Sie hatten manchmal in der Schule Schwierigkeiten, aber auch nicht in dem Umfang wie bei anderen Kollegen, etwa Stoiber. Sie standen nie unter Polizeischutz.

Der Papa war da schon rebellischer. Es gibt eine schöne Geschichte über Günther Beckstein, den harten Hund. Die Junge Union baut zum zehnten Jahrestag der Mauer am 13. August 1973 auf dem Hauptmarkt eine Mahnmal-Mauer. Die SPD-geführte Stadtspitze stört sich daran, die JU-Wilden setzen sich schützend vor ihr Konstrukt, die Polizei löst die Sitzblockade auf – nicht wissend, ihren künftigen Dienstherren davonzutragen. Beckstein lacht sein verschmitztes Lausbuben-Lachen beim Gedanken daran. „Da gibt es zwei Varianten“, sagt er. Seine Version lautet: Die Aktion ist brav abgelaufen. Auch die Polizisten waren ganz freundlich. In der anderen Version wurde er „zum Widerständler gegen die Staatsgewalt“ hochstilisiert. „Vielleicht war die Realität irgendwo dazwischen.“

NZ: Die Frage muss sein: Ulrich Maly oder Sebastian Brehm?

Beckstein: Ich mache überhaupt keinen Hehl daraus, dass ich Oberbürgermeister Maly schätze. Es tut ihm auf jeden Fall gut, einen ernsthaften Gegenkandidaten zu haben. Sebastian Brehm macht das clever, indem er sich Punkte raussucht, wo er Malys Schwachstellen vermutet.

Der Wahlkampf muss so verlaufen, dass sich die Kontrahenten trotz allem danach die Hand geben und in die Augen schauen können. Otto Schily und ich haben uns im Wahlkampf 2002 nichts geschenkt. Aber unmittelbar nach der Wahl sind wir Essen gegangen.

Apropos Essen: Im Hause Beckstein duftet es nach Weihnachtsplätzchen. Wünscht sich das Geburtstagskind etwas Bestimmtes zur Feier des Tages? Beckstein zuckt mit den Schultern. Spaghetti mit Tomatensoße sind ihm genauso lieb wie ein kompliziertes Gericht. Er mag Krautwickel, liebt, natürlich, Nürnberger Bratwürste und schätzt guten Wein – „ich bin zu alt für schlechten“. Günther Beckstein kommt aus kleinen Verhältnissen. Sein Geld im Studium habe er sich als Träger für die Hüttenversorgung in den österreichischen Bergen verdient. Bepackt wie die Esel seien sie gewesen, „weil wir nach Kilo bezahlt wurden. Das hat mir Kondition gegeben, die ich bis heute habe“.


 

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