"Mister Sex Machine" Maceo Parker kommt nach Nürnberg

15.10.2013, 07:00 Uhr

© PR

Mr. Parker, während bei Ihren Konzerten das Publikum regelmäßig in Schweiß badet, legen Sie nie ihren Anzug ab und lösen nicht einmal den Krawattenknoten, obwohl die Hitze meist mörderisch ist – wie schaffen Sie das ohne zu kollabieren?

Maceo Parker: (lacht) Nun, das ist einfach Teil meines Konzepts. Bei James Brown trugen wir ja schon Schmokings und Krawatten und so will ich einfach aussehen.

Weil Sie James Brown erwähnen – waren Sie sich damals eigentlich bewusst, dass Sie Musikgeschichte schrieben?

Maceo Parker: Mir war schon klar, dass eine Menge Leute hören würden was wir da tun, da er einfach so einen enormen Einfluss hatte. Er war ein Pionier des Funk, er hatte einen völlig einzigartigen Stil. Als ich ihn das erste mal performen sah, war ich wirklich von den Socken. Aber schon als ich und mein Bruder (der Drummer Melvin Parker) anfingen Musik zu machen, suchten wir unseren eigenen Stil. Als wir unseren Highschool-Abschluss machten, hatten wir es bereits zu einer gewissen Meisterschaft gebracht. Als uns James Brown dann das erste mal hörte, war er beeindruckt. Wir waren damals auch in der glücklichen Situation, die ganze Zeit spielen zu können, rund um die Uhr, Jahr für Jahr. Und mit der Zeit hat sich das dann wirklich nach etwas angehört...

Wie sind die James-Brown-Stücke eigentlich entstanden? Bei den Song-Credits wird immer er selbst erwähnt und vielleicht noch Bobby Byrd. Dabei klingen seine klassischen Funk-Tracks eher nach Teamwork, als nach dem Werk eines einzelnen.

Maceo Parker: Nun, meistens kam er schon mit der Grundidee an. Manchmal gab er uns ein kleines Bläserriff vor, überließ das Arrangement dann aber dem Bandleader. Pee Wee Ellis trat der Band bei, kurz bevor wir „Cold Sweat“ machten und er wurde der Arrangeur. Während meiner Zeit bei der Armee musste ich für zwei Jahre Militärmusik machen, nachdem ich bereits ein Jahr bei James gewesen war. Und in dieser Zeit kam Pee Wee und arrangierte die Sachen, notierte die Harmonien und so weiter. Aber wenn er dann rief „Maceo, play!“ dann lag es an mir etwas zu finden was zum Rest passte. Letztendlich war es ein Mix all dessen, was in diese Aufnahmen floss.

Und es hat Sie nicht gestört dass Sie in den Credits nie erwähnt wurden?

Maceo Parker: Nein, nicht wirklich. Ganz am Anfang dachte ich immer, früher oder später würde er das tun. Wir hatten zum Beispiel einen vokalen A-Teil und einen instrumentalen B-Teil und ich führte den B-Part. Und ich dachte immer „vielleicht bekomme ich nächstes Jahr meine Credits und ein bisschen Geld dafür“. Aber das passierte nie. Doch schließlich dachte ich mir: Wenn er auf den Aufnahmen meinen Namen ruft und diese Musik dann um die Welt geht, dann geht mein Name auch um die Welt. Und die ganze Welt weiß, wer dieses Solo spielt. Und das ist viel mehr wert als Geld. Ich glaube nicht, dass er sich bewusst war, wie sehr er mich emporhob, wenn er meinen Namen rief. Und ich denke, wenn er sich dessen bewusst gewesen wäre, dann hätte er es nicht getan. Aber das war meine Belohnung – keine finanzielle zwar, aber weltweite Bekanntheit. Und das hat mir genügt. Okay, manchmal denke ich mir schon, ich hätte mal die Fäuste ballen und meine Rechte einfordern sollen, aber das habe ich eben nie getan. Müßig darüber nachzudenken...

Okay, anderes Thema: Wer hat diese Musik eigentlich als erstes „Funk“ genannt?

Maceo Parker: Das weiß ich nicht. Möglicherweise kommt das aus New Orleans. Die waren da unten schon immer ziemlich funky und haben das schon lange „funky music“ genannt. Wenn ich raten soll, dann würde ich vielleicht auf The Meters tippen (singt kurz das Thema von „Cissy Strut“ an).

Wer waren eigentlich Ihre persönlichen Helden zu der Zeit?

Maceo Parker: Ich mochte sie alle. Aber als ich Tenorsaxophon spielte – ich wechselte erst 1968 zum Alt, als wir „Cold Sweat“ aufnahmen – liebte ich David Newman von der Ray Charles Band. Aber auch Stanley Turrentine, King Curtis – und mein Highschool-Bandleader, der spielte auch Tenor. Auf dem Altsax fällt mir Hank Crawford ein oder Cannonball Adderley. Aber ich mag auch Trompeter, wie Lee Morgan und Freddy Hubbord. Ich mag die leise, lyrische Seite von Lee Morgan. Tatsächlich habe ich mehr Trompetern zugehört als Saxophonisten.

Vielleicht hat das geholfen, Ihren Stil zu formen, denn so haben Sie niemanden imitiert?

Maceo Parker: Ganz genau! Dann begann ich nach mir selbst zu forschen, nach dem was ich in meinem Kopf höre und was ich tun möchte. Es geht einfach darum wer du bist. Tatsächlich bin ich zuerst als Bariton-Saxophonist engagiert worden und Baritons spielen gewöhnlich nicht allzu viele Soli. Aber als der Tenor-Spieler für einige Wochen ausfiel, füllt ich die Lücke. Und als James dann merkte, dass ich diese Solos draufhatte, dann hatte ich den Job. Als wir dann „Papa's got a brand new bag“ aufnahmen, entschied er dass ich das Solo spielen sollte – während die Aufnahme schon lief! Ich denke er mochte einfach meinen Sound – und so hat alles angefangen.

Durften Sie immer spielen was Sie wollten?

Maceo Parker: Absolut! Ich ließ mich einfach vom Groove mitreißen und spielte was ich hörte. Wissen sie, man hört das was man spielt schon einen Sekundenbruchteil bevor man es spielt. Wenn man das was man im Kopf hört sofort umsetzen kann, dann hat man's echt drauf.

Alle Ihre Arbeitgeber waren oder sind für Ihre großen Egos bekannt, nicht nur James Brown, sondern auch George Clinton, Bootsy Collins oder Prince. Hatten Sie jemals ein Problem damit?

Maceo Parker: Nein. Denn nach der Zeit mit James Brown war Maceo zu sein ungefähr so, als wäre ich ein hochrangiger Offizier. Somit war alle Türen für mich offen und alle behandelten mich gut, denn sie wussten ja „Wow, das ist Maceo! Der hat all die James-Brown-Sachen gemacht.“ Man respektiert mich, bis heute.

In den frühen Siebzigern haben Sie dann eine eigene Band auf die Beine gestellt. Was war der Anlass dazu?

Maceo Parker: Ich hatte das schon eine ganze Weile im Hinterkopf gehabt. Es war eine logische Entwicklung, seit ich mich entschlossen hatte ein Performer zu werden. Ich hatte einfach das Zeug dazu. Ich verließ damals also James Brown und die anderen Jungs in der Band sagten: „Mein Gott, wenn du aussteigst, dann steigen wir auch aus!“ Und das ist dann auch passiert. Ich hörte danach den Roadmanager am Telefon mit jemanden reden. Er sagte „Ob du's glaubst oder nicht, James hat keine Band mehr. Ich sag dir, all des Königs Pferde, all des Königs Männer sind weg!“ Da dachte ich mir, dass das ein guter Name für die Band wäre: Maceo and all the King's men.

War James da nicht ziemlich sauer?

Maceo Parker: Oh ja! Wir haben Mr. Brown ein Ultimatum gestellt: wir wollten ein größeres Stück vom Kuchen, die Jungs verlangten zum Beispiel, dass er meine Beiträge besser honorieren sollte. Aber James Brown mochte es absolut nicht, wenn man ihm sagte, was er tun sollte. Er sagte einfach. „Wenn ihr gehen wollt, dann geht. Mir gehören all die Radiostationen und all die Disk-Jokeys und ich kann sie bezahlen!“ Und das hat er gemacht: Er hat die Disk-Jokeys dafür bezahlt unsere Platten nicht zu spielen. Uns war das egal,

wir wollten einfach Spaß haben. Es war schon eine gute Erfahrung, aber letztendlich ist die Sache auf diese Weise abgestürzt. Wir haben damals „Got to get you“ aufgenommen und wir hatten keine fünf Dollars, die wir dem DJ zahlen konnten, damit er den Song spielt. James gab ihm 25 damit er ihn nicht spielt. Wir haben alle ein wenig Zeit gebraucht, manche länger als die anderen, doch am Ende sind wir alle zu ihm zurückgekehrt. Er sagte, „wenn ihr es schafft, dann durch mich“. Es war ein bißchen wie zur Schule gehen. James Brown war eine Art College.

Heute sind Sie selbst eine Art College für viele Musiker...

Maceo Parker: (lacht) Ja, vielleicht für einige. Heute bin ich zumindest der Kapitän meines eigenen Schiffs. Es ist ein wenig so, wie wenn man als Teenager vom Rücksitz aus seinen Eltern beim Autofahren zusieht: Sobald man alt genug für den Führerschein ist, will man unbedingt fahren. Und sobald du als Musiker reif genug bist, deine eigene Gruppe zu leiten, dann willst du das auch machen. Und ich kann mein Schiff jetzt da hinsteuern wo ich will.

Abgesehen davon sind Sie auch einer der am meisten gesampelten Musiker. Was halten Sie davon, was zum Beispiel die Hip-Hopper mit Ihrer Musik anstellen?

Maceo Parker: Wir werden schon manchmal gefragt, ob man unsere Sachen verwenden darf. Einerseits ist das natürlich schön, wenn man merkt, dass die Leute das mögen, was man macht, andererseits denke ich mir: Die könnten einfach anfrufen und mich ins Studio einladen, um etwas frisches zu spielen.

Am Anfang galt Funk ja auch als Ausdruck afro-amerikanischen Selbstbewusstseins. Heute gibt es Funk-Bands auf der ganzen Welt, in Japan genauso wie in Deutschland...

Maceo Parker: Nun, beim Funk geht es immer nur darum auszugehen, zu tanzen und Spaß zu haben. Dasselbe kann man auch über Latin-Musik sagen oder über den Mardi Gras in New-Orleans. Sich hinzusetzen und Musik zu hören ist definitiv was anderes. Funk hingegen lädt den Hörer ein, teilzuhaben, die Arme zu schwenken und alles zu schütteln was man hat.

Das heißt, die Verbindung zur Black-Power-Bewegung war Ihnen gar nicht so wichtig?

Maceo Parker: Oh nein, da haben wir uns falsch verstanden! Das war schon sehr wichtig! James sagte: Wenn es nichts herabwürdigendes ist, weiß zu sein, warum sollte es dann herabwürdigend sein, schwarz zu sein? 'Say it loud, I'm black and I'm proud!' Es war die richtige Zeit dafür und wir hatten eine große Botschaft: Strecke die Brust raus und sei Stolz auf das was du bist! Das war sehr, sehr wichtig! Es hat mich zu dem gemacht, der ich bin. Eines meiner liebsten James-Brown-Solos ist das von „Damn right I am somebody!“ Ich bin wer!

Keine Kommentare