Modelleisenbahner haben ein Nachwuchsproblem

31.1.2015, 15:55 Uhr
Modelleisenbahner haben ein Nachwuchsproblem

© Michael Matejka

Hilfe, es spukt! Falls es noch irgendeines Sinnbildes für den Zustand der Modellbahnbranche gebraucht hätte: voilà. So schwach ist der einstige Star der Spielwarenmesse inzwischen aufgestellt, dass er 2015 nicht mehr die eigene Halle frei von fremden Ständen halten kann. Dem eines Großhändlers für Halloween-Artikel zum Beispiel.

Ein Gespenst ist zurück in der Branche: „Ich fürchte, wir stehen vor einer zweiten Konsolidierungswelle“, sagt Martin Knaden, als Chefredakteur des Fachblatts Miba ein intimer Kenner der Szene. Dabei ist das Produkt vom Feinsten. Aus 400 Einzelteilen kann so eine Dampflok im Maßstab 1:87 locker bestehen, so perfekt, dass selbst winzige Schilder lesbar sind. Unter der Lupe. Das hat natürlich seinen Preis, um die 400 Ã sind nicht ungewöhnlich. Modellbahn war nie ein billiges Hobby.

Goldene 90er

Die 90er Jahre waren rückblickend die goldenen der Branche. Die Kriegs- und erste Nachkriegsgeneration hatte die letzten Dampfloks der Bundesbahn noch unter Volldampf erlebt — und war jetzt betucht genug, mit den Modellen in Kindheitsträumen zu schwelgen. Die Hersteller strotzten vor Selbstbewusstsein — und gefielen sich selbst. Imagepflege oder gar Nachwuchswerbung? I wo.

Für diese Sünden büßt die Branche im Grunde bis heute. Die Kunden von damals sind zwar treu, inzwischen aber eben auch 20 Jahre älter. Das Image ist nicht eben cool, nachwachsende Fans rar. Das hatte in den vergangenen zehn Jahren bereits eine erste Konsolidierungswelle zur Folge, mit der Insolvenz von Aushängeschild Märklin 2009 als Tiefpunkt.

Immerhin, seitdem ist allen klar, dass es für das Hobby ums Ganze geht. Es wird gekämpft. Zum Beispiel mit billigeren, auch für Kinderhände geeigneten Einstiegslinien wie Märklins — die Marke gehört jetzt zur Fürther Simba Dickie Gruppe — „my world“ oder „next generation“ der österreichischen Modelleisenbahn-Holding. Zu der gehört neben Roco heute auch die einst große Nürnberger Marke Fleischmann. So langsam gelinge die Rückeroberung der Kinderzimmer, ist Märklin-Geschäftsführer Florian Sieber optimistisch.

Muss auch, denn an anderer Stelle droht bereits neues Ungemach. „Der Fachhandel steckt in einer Umbruchsituation“, räumt Roco/Fleischmann-Chef Leopold Heher ein. Man könnte auch sagen: Abbruchsituation. Viele Händler machten einst ihr Hobby zum Beruf, sind so alt wie ihre Stammkundschaft — und gehen damit nach und nach in Rente. Ein Desaster, denn der Fachhandel ist der mit riesigem Abstand wichtigste Absatzweg der Hersteller. Wer aber übernimmt schon ein Geschäft in einer schrumpfenden Szene?

Dazu kommt der China-Preiswucher, in jüngerer Vergangenheit die Werkbank der Branche. „Die Fabriken aber erhöhen seit einiger Zeit regelmäßig, ich hätt’ fast gesagt: im Quartalsrhythmus die Preise“, sagt Experte Knaden. Die bestellten Stückzahlen sind zu klein, um für die Chinesen wirklich wichtig zu sein. Märklin erwirtschaftete 2014 rund 98 Mio. Ã Umsatz — und ist damit schon das Siemens der Branche. Wenn andere Hersteller in Nürnberg mit zehn Mann ausstellen, ruht daheim der Betrieb.

Wer konnte, hat daher inzwischen so viel Produktion wie möglich zurück nach Europa geholt. Eine gewisse Abhängigkeit von den chinesischen Launen aber bleibt. „Das und das Fachhändler-Sterben wird der Branche noch große Kopfschmerzen bereiten“, fürchtet Knaden.

Das wissen natürlich auch die Hersteller. So fühlt sich schon als König, wer nicht verliert. Märklin etwa schrumpfte 2014 lediglich um drei Mio. Ã Umsatz, bei Roco/Fleischmann waren es 0,5 Mio. auf 50,5 Mio. Ã. „Dafür schämen wir uns absolut nicht“, sagt Heher. Märklin-Chef Sieber traut sich für das laufende Jahr sogar ein kleines Umsatzplus zu: „Es wird sicher nicht einfacher und es ist ein Verdrängungswettbewerb. Aber ein dreistelliger Erlös ist das Ziel.“

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