Mortler: "Legalisierung wäre das falsche Signal"

29.8.2016, 05:58 Uhr
74.000 Alkoholtote in Deutschland im Jahr 2015, kein einziger Cannabistoter - die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler, CSU-Bundestagsabgeordnete aus dem Nürnberger Land, hält trotzdem nichts von einer Legalisierung von Cannabis.

© Michael Matejka 74.000 Alkoholtote in Deutschland im Jahr 2015, kein einziger Cannabistoter - die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler, CSU-Bundestagsabgeordnete aus dem Nürnberger Land, hält trotzdem nichts von einer Legalisierung von Cannabis.

Frau Mortler, was macht Cannabis gefährlicher als Alkohol?

Marlene Mortler: Wir haben genügend Probleme mit Alkohol, auch mit Tabak. Cannabis ist nach wie vor der Hauptgrund, weshalb Menschen bei Suchtproblemen mit illegalen Drogen eine Beratungsstelle aufsuchen. Wir müssen deswegen nicht noch eine neue Droge legalisieren. Das wäre das falsche Signal.

Die Statistik sagt: 74.000 Alkoholtote in Deutschland im Jahr 2015, kein einziger Cannabistoter. Wäre es nicht sinnvoller, die gefährlichere Droge zu verbieten und die weniger gefährliche zuzulassen?

Mortler: Alkohol ist in unserer Gesellschaft tief verwurzelt. Die jungen Menschen haben auch deswegen schlechte Vorbilder in den Erwachsenen. Immer mehr junge Menschen sagen aber: Ich brauche Alkohol nicht, um glücklich zu sein oder feiern zu können. Sie trinken nicht nur weniger, sie rauchen auch weniger Zigaretten als früher. Vor zehn Jahren hätten wir nicht im Traum daran gedacht, dass sich die Zahlen einmal so positiv entwickeln. Wir führen das auf gute Aufklärungs- und Präventionsarbeit zurück. Wir dürfen aber nicht nachlassen.

Sie sagen: Alkohol ist in unserer Gesellschaft tief verwurzelt. Das heißt, für ein Verbot gibt es einfach keine Mehrheit, selbst wenn es aus gesundheitlichen Gründen Sinn machen würde?

Mortler: Es gibt mit Sicherheit keine Mehrheit. Ich könnte als Drogenbeauftragte ein Verbot fordern – nach dem Motto „Die ist aber mutig“ – aber ich weiß, dass ich damit wenig bewegen könnte. Mein realistischer Ansatz ist: mehr Aufklärung, mehr Kontrolle, mehr Konsequenz – etwa wenn es um den Verkauf von Spirituosen an Jugendliche geht.

"Als Medizin ja, für den Freizeitbereich nein"

Für Schmerzpatienten ist Cannabis bald zugänglich: Die Bundesregierung will eine staatliche Cannabis-Agentur aufbauen.

Mortler: Mein Anliegen war von Anfang an: Cannabis als Medizin ja, für den Freizeitbereich nein. Menschen, denen nachweislich nur Cannabis als Medizin hilft, müssen unterstützt werden, damit sie wieder zu mehr Lebensqualität kommen. Viele sagen: Gebt Cannabis frei, das hilft für alles. So ist es aber nicht. Wir wissen: Ja es hilft – aber in den wenigsten Fällen. Das evidenzbasierte Wissen ist noch sehr löchrig, deswegen kommt mit dem Gesetz auch eine Begleitforschung für die Patienten, die einen Antrag gestellt haben. Es liegt nun am Parlament, das Ganze schnell auf den Weg zu bringen. Die erste Lesung war bereits. Ich denke, dass das Gesetz 2016 oder 2017 verabschiedet sein wird.

Im US-Bundesstaat Colorado ist Cannabis für alle Bürger legal. Warum versucht man sich in Deutschland nicht einmal in einem Pilotprojekt und schaut, was passiert?

Mortler: Das kann ich mir nicht vorstellen. Cannabis für alle hätte nichts mehr mit Medizin zu tun. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir bereits jetzt 200.000 Abhängige im Land haben. Cannabis ist der Grund Nummer eins, warum man eine ambulante oder stationäre Suchthilfeeinrichtung besucht. Wir wissen zudem: Je früher der Konsum beginnt, desto problematischer für den jungen Menschen. Diese Erkenntnisse darf man nicht ausblenden. Zumal mit der Legalisierung dann erst die Gelddruckmaschine angeworfen wird – das sehen wir in Colorado. Dort steht das Geld im Vordergrund. Bei mir steht die Gesundheit im Vordergrund.

Das Argument der gesundheitlichen Gefahren lässt sich auf Alkohol übertragen.

Mortler: Darum sage ich ja: Wir haben genügend Probleme mit Alkohol, und wir haben sie immer noch nicht im Griff. Aber wir sehen einen positiven Trend zu weniger Alkoholkonsum.

Sie haben Ihren Facebook-Account abgeschaltet, auch bei Twitter sind Sie kaum noch aktiv – ist das eine Folge der Angriffe der Cannabis-Lobby?

Mortler: Ich erwarte von jedem einen gewissen Anstand, aber jeder Satz, den ich sage, wurde unsachlich kommentiert. Ich bin deswegen zu dem Schluss gekommen: Das macht keinen Sinn. Ich will das aber gar nicht so hoch hängen. Mein Hauptthema ist der Konsum von Alkohol und Tabak.

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