Moschee in Goho: Erste Adresse für Neuankömmlinge

13.11.2018, 06:00 Uhr
Mostafa Eljojo im Gebetsaal der Moschee Hessestraße.

© Roland Fengler Mostafa Eljojo im Gebetsaal der Moschee Hessestraße.

Wenn Kirchengemeinden über starken Mitgliederschwund klagen, ist das kein nostalgischer Zahlenvergleich, sondern hat teils gravierende Folgen: von Pfarrsälen und ähnlichen Immobilien, die leer bleiben und veräußert werden, bis hin zum Abbau von seelsorgerischem Personal. Dass aber auch starkes Wachstum nicht immer ein Segen für eine Religionsgemeinschaft sein muss, sieht man jede Woche in der Hessestraße.

Beim Freitagsgebet, das Muslimen so wichtig ist wie der sonntägliche Kirchenbesuch den gläubigem Christen, platzt der zur Moschee umgebaute Altbau aus allen Nähten. Nicht nur der Gebetssaal ist dann mit rund 600 Menschen voll belegt, sondern auch die Bibliothek, die Sozialräume und die Teestube. Und das, obwohl das Freitagsgebet gleich zweimal hintereinander abgehalten wird: "Insgesamt kommen jeden Freitag bis zu 2000 Menschen zu uns", sagt Mostafa Eljojo.

Laut dem Italiener mit palästinensischen Wurzeln, der seit 2014 Vorsitzender der IGN ist, hat sich die Besucherzahl der Moschee infolge des Flüchtlingszuzugs mehr als verdoppelt. Weil sie in Nürnberg - im Gegensatz zu Türken oder Bosniern - keine bestehenden Moscheegemeinden vorfinden, landen die Neuankömmlinge aus Afghanistan, Syrien und anderen muslimischen Ländern fast alle erst mal in der Hessestraße. Denn bei der IGN, die von Anfang an eine Moschee für alle Muslime Nürnbergs betreibt, finden die Neuen leichter Anschluss.

Nürnbergs einzige "internationale Moschee"

Obwohl das Einzugsgebiet der Moschee weit über die Stadtteilgrenzen hinausgeht, tummeln sich hier daher Menschen vieler Nationalitäten. Vom türkischen Rentner um die Ecke, der in dritter Generation in Gostenhof lebt, über den muslimischen Software-Experten aus Indien, der für ein internationales Unternehmen einige Jahre hier arbeitet, bis hin zu Flüchtlingen aus Somalia oder Eritrea. Ein Beispiel für die Buntheit Nürnbergs einziger "internationaler Moschee": Als sich kürzlich afrikanische Vereine aus der Region trafen, saß auch Eljojo mit am Tisch. "Wir haben hier ja Muslime aus mehr als 20 afrikanischen Ländern bei uns", weiß der IGN-Vorsitzende.

Noch kann sein Verein die Folgen des rasanten Wachstums der Gemeinde schultern, sagt der 50-Jährige. Neben den religiösen und seelsorgerischen Aktivitäten stemmt man sogar Angebote wie Fußball und Klettern sowie eine eigene Sportgruppe und einen Deutschkurs für Frauen.


Alles zu #MeinGoho: Das crossmediale Projekt über Gostenhof


Doch Ehrenamtliche zu finden, die sich engagieren, fällt zunehmend schwerer, beklagt Eljojo. Denn die IGN ist zwar einerseits - vom Rat der Religionen bis hin zum Präventionsnetzwerk gegen religiös begründete Radikalität - Mitglied vieler Initiativen in Nürnberg und erhält für ihren Beitrag zur Integration sowie zum interreligiösen Dialog von lokalen Gesprächspartnern aus Kirchen, Politik und Verwaltung stets viel Lob. Auf der anderen Seite steht sie aber auch unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, vor allem weil der Vermieter der Moschee in der Hessestraße - die IG Deutschland - als islamistisch gilt.

Dieses Stigma, gegen das sich der Nürnberger Verein bislang vergeblich juristisch wehrt, indem er seine Unabhängigkeit von dem Verband betont, wirkt sich laut Eljojo fatal aus bei der Suche nach Mitstreitern für den Vorstand. Denn: "Wenn ein Kirchenvertreter oder der Bürgermeister unsere Moschee besuchen, kommt das in die Zeitung. Gläubige aber, die uns besuchen und hier aktiv sind, können Probleme mit den Behörden bekommen, wenn sie ihren Aufenthalt verlängern oder sich einbürgern lassen wollen."

Auf der Webseite www.nordbayern.de/meingoho wartet noch mehr Material zu Nürnbergs bekanntestem Stadtteil. Hier können Sie Gostenhof interaktiv erleben in Videos, Bildergalerien, einer historischen Zeittafel oder mit einem Quiz.

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