Muskelschwund: 71-Jähriger erlebt körperlichen Verfall

21.11.2015, 08:30 Uhr
Muskelschwund: 71-Jähriger erlebt körperlichen Verfall

© Heilig-Achneck

In seinem kleinen Apartment in der Erlanger Altstadt war schon im warmen Herbst gut eingeheizt. Auch eine Decke hat er über die Beine gelegt. Denn Muskelkranke frieren unheimlich schnell. „Meine Arme und Beine waren schon schwach, als ich noch ein Kind war. Da hat mein Großvater immer Übungen mit mir gemacht“, erinnert sich der heute 71-Jährige.

An Turnen war nicht zu denken, beim Schwimmen, Rad- oder Rollschuhfahren konnte er nie mithalten. Und beim Fußball war's nicht besser. Die Ärzte wussten nur: An einer Kinderlähmung lag es nicht. Aber woran dann?

Kurt-Helge Paulus lebte viele Jahre in Ungewissheit, ging zur Schule und studierte, machte Staatsexamen, unterrichtete sogar noch einige Jahre am Gymnasium. Doch dann war es so weit: Die Krankheit zwang ihn zum Wechsel. Bei einem Verlag fand er einen behindertengerechten Arbeitsplatz.

Eine Muskelbiopsie hatte inzwischen Klarheit gebracht: „Muskeldystrophie“, also Muskelschwund, zu 98 Prozent genetisch bedingt, lautet die Diagnose. Bei vollem Bewusstsein müssen die Betroffenen den fortschreitenden Verfall miterleben – und das gibt es in 15 Spielarten.

Koordinierung immer mühevoller

Das hatte schon Konsequenzen, als er sich noch ohne fremde Hilfe auf den Beinen halten konnte: „Wenn man stolpert, kann man sich nicht auffangen, sondern plumpst zu Boden wie ein Mehlsack – und leicht kommt es zu Knochenbrüchen“, nennt er ein Beispiel. An Hüften und Schultern fängt es oft an, bald bestanden Arme und Beine buchstäblich fast wirklich nur noch aus Haut und Knochen.

Schreiben konnte Kurt-Helge Paulus zwar lange noch, aber die Koordinierung der Bewegung bereitete ihm zusehends Mühe. „Noch vor zwei, drei Jahren habe ich manches geschafft, was jetzt nicht mehr gelingt, zum Beispiel eine Tasse zum Mund zu führen“, stellt er fest. Das klingt trocken und nüchtern und lässt nur ahnen, wie bedrückend das sein muss.

Seit inzwischen 15 Jahren hängt er jede Nacht mindestens acht Stunden an einem Beatmungsgerät, oft auch tagsüber einige Stunden. Was indes noch klappt, ist das Schreiben am Computer. Zuletzt hat er damit eine kunsthistorische Führung durch die Hugenottenstadt ausgearbeitet – und mit Betreuung ist er auch selbst als Stadtführer unterwegs. Dass es nicht ständig nur bergab gehen muss, beweist das Training mit einer Logopädin. Mit ihr gelangte er zu einer wieder deutlicheren Aussprache.

So war es von Anfang an: Paulus wollte sich nie unterkriegen lassen. Er hatte die örtliche Gruppe der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke gegründet und sich auch überregional engagiert. Dass Betroffene nicht selten um wichtige Hilfen kämpfen müssen, zeigt auch sein Beispiel: Sein über zehn Jahre alter Elektrorollstuhl ist kaputt und lässt sich, weil es keine Ersatzteile mehr gibt, auch nicht mehr reparieren. Als Ersatz erhielt er, aber nur leihweise, ein ausgemustertes Modell.

Einen neuen in der für ihn nötigen Ausführung – mit elektrisch verstellbarer Fußstütze und Aufstehhilfe – hat ihm seine private Pflegekasse bisher verwehrt. „Die gesetzliche Kasse hätte das übernommen“, hat sich P. erkundigt. Aber in seinem Alter ist ihm ein Kassenwechsel angeblich versagt.

 

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