Nach Prostituierten-Morden: So brutal sind manche Freier

24.6.2017, 05:58 Uhr
"Die Frauen müssen funktionieren. Wie es ihnen geht, ist im Milieu egal", erzählt eine Ex-Prostituierte aus Nürnberg. (Symbolbild)

© dpa "Die Frauen müssen funktionieren. Wie es ihnen geht, ist im Milieu egal", erzählt eine Ex-Prostituierte aus Nürnberg. (Symbolbild)

Felix R. hatte im Mai und Juni seine Opfer - eine 22-jährige Rumänin und eine 44-jährige Chinesin - mit ihren eigenen Wäschestücken gefesselt und mit Kabeln stranguliert. Er habe mit den Frauen über die Bezahlung gestritten, dann sei das Ganze eskaliert, sagte er bei Vernehmungen. Ebenfalls im Mai hatte ein Freier eine Prostituierte in ihrer Wohnung beim Akt brutal gewürgt.

Sandra Norak (Name geändert) arbeitete sechs Jahre lang in Nachtbars, Tagesbetrieben und einem Flatrate-Club in Nürnberg und der Region. "Ich habe gesehen, was Freier mit Frauen machen. Oft halten sie sich nicht an das, was als Service ausgemacht war, und machen sexuell doch etwas anderes oder sind gewalttätig."

An den Wochenenden kämen viele Männer erst um 5 oder 6 Uhr morgens in die Bordelle, stark angetrunken. "Dann sind sie oft aggressiv und verhalten sich unkontrolliert." Doch auch im Tagesgeschäft, ohne dass Alkohol im Spiel ist, seien viele Freier überzeugt, dass sie, sobald Geld geflossen ist, einen Anspruch darauf haben, von den Frauen alles zu kriegen. Dass es zu Körperverletzungen kommt, wundere sie nicht. "Die Frauen müssen funktionieren. Wie es ihnen geht, ist im Milieu egal."

Norak ist 2014 ausgestiegen und lebt nicht mehr in Nürnberg. Noch als sie anschaffen ging, machte sie das Abitur nach. Jetzt studiere sie Jura. Nach den zwei Morden in Nürnberg schrieb sie einen erzürnten Artikel in der Frauenzeitschrift Emma. Sie finde es unerträglich, dass die Beratungsstelle Kassandra die Rotlichtszene in Nürnberg verharmlose. "Viele Frauen erleben in den Zimmer Gewalt, viele halten es nur mit Alkohol und Drogen aus, sind traumatisiert und haben psychische Probleme." Sie fände es schön, wenn Kassandra das Leid der Frauen anerkennen würde, indem sie in der Öffentlichkeit kein so positives Bild von Prostitution zeichnet.

Die städtisch und staatlich geförderte Beratungsstelle, die nach eigenen Angaben pro Jahr Kontakt zu 1000 Sexarbeiterinnen hat, äußerte sich nach den Morden nur zurückhaltend zum Thema Zwangsprostitution. Die beiden Opfer waren - wie über 90 Prozent der Prostituierten in Nürnberg - aus ärmeren Ländern nach Nürnberg gekommen. Während laut Polizei-Sprecherin Elke Schönwald Männer im Milieu durchaus Druck auf diese Frauen ausüben und zum Beispiel damit drohen, ihre Familien über die Sexarbeit zu informieren, wollte man bei Kassandra lieber nicht von Zwangsprostitution sprechen.

Prostitution besser als Niedriglohnjob?

Natürlich gebe es Frauen, die anschaffen, weil sie sonst ihre Familie nicht ernähren können, sagt die Leiterin von Kassandra, Bärbel Ahlborn. "Aber einige wollen gar nicht lieber bei Aldi an der Kasse sitzen oder einen anderen Niedriglohnjob machen." Kassandra habe ein Programm, das Frauen den Umstieg in einen anderen Beruf ermöglichen soll. Letztes Jahr hätten das 40 Prostituierte genutzt. Die Polizei kontrollierte 2016 in Nürnberg 1519 Prostituierte und rechnet mit einer geringen Dunkelziffer.

Ahlborn hält die Rotlichtszene in Nürnberg für "relativ friedlich". Es gebe zwar Bedrohungen durch Zuhälter oder Club-Besitzer, "aber Gewalt ist nicht so verbreitet, wie es einige darstellen." Norak, die sich für ein Verbot von Sexkauf einsetzt, wirft sie ideologisches Denken vor.

Zumeist höre Kassandra von Sexarbeiterinnen, dass die Freier "relativ rücksichtsvoll" sind. Laut Ahlborn nehmen aber die Fälle zu, in denen es nach dem Sex Stress wegen der Bezahlung gibt. "Die Frauen müssen darüber informiert werden, dass sie vor dem Akt kassieren und das Geld aus dem Zimmer bringen sollten." Norak wehrt sich gegen die Haltung von Kassandra, dass die Frauen ihr Verhalten ändern müssen, um Gewalt zu verhindern. "Diese ist Teil des Milieus, das muss doch gerade von Beratungsstellen anerkannt werden."

Die Szene sei gut organisiert. "Ich habe keine Frau gesehen, die alleine neu in einen Club kam, alle wurden von Männern gebracht." Laut Norak spielt die Rockerszene - unter anderen Hells Angels, Bandidos und Gremium - im Milieu eine große Rolle. "Sie schieben sich gegenseitig Frauen zu und sind mit anderen Städten vernetzt." Peter Herold vom Kommissariat für organisierte Kriminalität widerspricht: "Diese Schilderung deckt sich nicht mit unseren Beobachtungen." Es gebe keinen Einfluss der Rocker auf das Rotlichtmilieu. Lediglich einzelne Betreiber gehörten einem Club an.

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