"Narben auf der Haut sind Narben auf der Seele"

7.7.2017, 16:48 Uhr

© Roland Fengler

Schaf Wolly ist schon ganz grün im Gesicht. Über dem Plüschtier ist ein leeres Tablettenblister zu sehen, daneben steht "Enemene meck und du bist weg" und "Kinder sind super neugierig". Ein anderes Plakat zeigt, wie Wolly beim Grillen von Spiritus verbrannt wird. Die Motive sind aufrüttelnd, einprägsam und bilden genau das ab, was Karl Bodenschatz, Chefarzt der Kinderchirurgie am Klinikum, tagtäglich erlebt. "Verbrennungen und Verbrühungen sind die häufigsten Verletzungen bei Kleinkindern", sagt der Mediziner. In Deutschland müssten jährlich etwa 6000 Kinder stationär behandelt werden, weil sie sich verbrüht haben, in Nürnberg seien es 180.

Eine Plakataktion soll nun helfen, Unfälle mit Kleinkindern zu verhindern. "50 Prozent davon sind vermeidbar, wenn die Eltern besser aufpassen würden", ist der Chefarzt überzeugt. Zusammen mit dem Verein Klabautermann, der sich für chronisch kranke Kinder und deren Familien einsetzt, hat die Kinderchirurgie am Klinikum das Projekt auf die Beine gestellt. "In 25 Jahren Nachsorge-Arbeit haben wir bemerkt, dass man über den Tellerrand schauen muss", sagt Klabautermann-Vorsitzende Hanne Henke. Ihr Verein wolle nicht nur Nachsorge betreiben, sondern auch Prävention. "Wir müssen die Eltern an die Hand nehmen, denn Narben auf der Haut sind Narben auf der Seele."

Und diese schlimmen Narben entstehen oft nur durch einen kleinen Moment der Unaufmerksamkeit, weiß Chefarzt Bodenschatz. "Wir muten den Kindern zu viel zu." Diese hätten aber eine ganz andere Wahrnehmung als Erwachsene. "Sie leben in einer magischen Welt und denken zum Beispiel, dass sie schon irgendwann bremsen, wenn sie fallen."

Im Sommer etwa gebe es viele Grillunfälle: "100 Kinder mit schweren Verbrennungen pro Jahr in Deutschland, das ist zu viel", sagt Bodenschatz. Vor allem, weil die zu 100 Prozent vermieden werden könnten, wenn man die flüssigen Brandbeschleuniger weglassen würde. Bei Gartenteichen sollte ein Zaun verpflichtend sein, denn es reichten schon 30 Zentimeter Tiefe, dass ein Kind ertrinken könne. Auch flüssige Spülmaschinentabs seien gefährlich. "Die platzen, wenn Kinder draufbeißen."

Seine Schilderungen des Klinikalltags waren es auch, die Silke Hartmann so berührt haben. "Dass eine Tasse Tee mit 52 Grad Celsius warmer Flüssigkeit ein Kind töten kann, das bleibt hängen", sagt die Fotografin. Hartmann hat die Plakate gestaltet, die ab sofort an Bushaltestellen und in der Innenstadt zu sehen sind.

Weil der Migrantenanteil in Nürnberg hoch ist, haben sich die Initiatoren bewusst für plakative Bilder und wenig Text entschieden. Geplant sei auch eine wissenschaftliche Auswertung, kündigt Bodenschatz an. "Wir wollen wissen, ob sich durch die Aktion ein Bewusstsein für die Gefahren entwickelt." Neben der Firma Heu-
nec, die das Plüschschaf Wolly herstellt, unterstützt auch die Stadtreklame das Projekt. "Wir möchten unseren Beitrag dazu leisten, dass Eltern besser erreicht werden", sagt Geschäftsführer Georg Sorger. Gleichzeitig könne die Stadtreklame so leere Werbestandorte bespielen.

 

Judith Horn

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