Neuer Vorstoß: Ist die Quelle ein Fall für die Abrissbirne?

7.4.2018, 13:32 Uhr
Die Sanierung des alten Quelle-Gebäudes würde eine halbe Milliarde Euro kosten – 50 Prozent mehr als ein Abriss und Neubau.

© oh Die Sanierung des alten Quelle-Gebäudes würde eine halbe Milliarde Euro kosten – 50 Prozent mehr als ein Abriss und Neubau.

Damit stieß Küspert eine Debatte an, an die sich nach einem Vorstoß der CSU im Jahr 2013 keiner mehr so recht wagte.  Wirtschaftsreferent Michael Fraas hält dagegen: Der Immobilienentwickler Sonae Sierra habe sich zu sehr auf die Einzelhandelsnutzung versteift. Mit spezialisierten Partnern könne man dort auch Gewerbe- und Wohnflächen schaffen. Für Wolfgang Küspert ist das unrealistisch: "Die Kosten für eine Sanierung sind einfach zu hoch. Wir sprechen hier von etwa einer halben Milliarde Euro - das sind sicher mindestens 50 Prozent mehr, als ein Abriss und Neubau kosten würde", so der Nürnberger Immobilienberater. Diese hohen Kosten müssten dann mittels überhöhter Mieten wieder reingeholt werden. Das spreche auch dagegen, dass die Stadt Nürnberg dort - wie bereits angedacht - das Sozial- und Jugendamt sowie eine Berufsschule unterbringt. "Sind die hohen Kosten angemessen, nur um den Denkmalschutz zu erhalten? Ich finde das zweifelhaft."

Laut Küspert ist es lediglich die kulturhistorische Relevanz, die den Denkmalschutz rechtfertigt. "Weder der Ort noch die Art des Gebäudes sind erhaltenswert", urteilt er. Das Quelle-Gebäude spiegele aber den enormen Aufschwung wider, den das Unternehmen in Nürnberg hatte. "Das gilt es ins Verhältnis zu setzen zur Wirtschaftlichkeit des Gebäudes - und dann bleibt ehrlicherweise nur der Abriss." Ist es nicht möglich, ein Gebäude wirtschaftlich zu betreiben, kann der Denkmalschutz fallen. Auch dass das Marktforschungsunternehmen GfK sich dagegen entschieden hat, seinen Hauptsitz dorthin zu verlegen, liege an der fehlenden Wirtschaftlichkeit, da ist sich der Immobilienberater sicher. 

Problemkind Obergeschoss 

Das Problem seien nicht die zwei unteren Etagen - dort könne man ohne weiteres Nutzer im Einzelhandel finden. "Die Zukunft des Gebäudes entscheidet sich über die Obergeschosse." Dass die Sanierung so teuer ist, liege nämlich an den Besonderheiten der Räumlichkeiten: "Die Zimmer sind zum Teil 50 Meter tief ohne zusätzliche Fenster. Für ein Versandzentrum war das in Ordnung. Für die künftige Nutzung müsste man aber Teile abreißen und Atrien hineinschneiden, um für mehr Tageslicht zu sorgen."

Sommerlicher Wärmeschutz sei bei dem Gebäude schwierig, Schallschutz ebenso. Nicht zuletzt stehe womöglich in naher Zukunft auch eine Betonsanierung an. "Wenn man das Gebäude so stark verändert, ist dann der Denkmalschutz noch gewahrt?", fragt sich Wolfgang Küspert. Er glaubt, dass mit dem Ergebnis keiner zufrieden sein werde. Weder der Immobilienentwickler noch der Denkmalschutz. Dabei dachte die Stadt Nürnberg schon mal drüber nach, das gesamte Areal käuflich zu erwerben.

Jahrelange Ungewissheit

Erhalten könne man solche Gebäude, wenn die frühere Nutzung nahe an der künftigen Nutzung sei: "Das Loftwerk etwa war früher eine Schuhfabrik und ist heute ein kleiner Bürokomplex im Loftstil. Da hat es funktioniert." Ein Beispiel für einen Standort, an dem das nicht möglich war, ist für Küspert die Hauptpost: "Zum Glück für die Stadt und die Investoren steht das Hauptgebäude nicht unter Denkmalschutz und wird nun abgerissen." Der 20 Jahre dauernde Leerstand zeige aber, wie schwer es selbst unter diesen Voraussetzungen war, an dieser für die Stadt wichtigen Stelle etwas Neues zu schaffen.

Das Quelle-Versandzentrum steht nun seit neun Jahren leer, seit drei Jahren ist es im Besitz des portugiesischen Immobilienentwicklers Sonae Sierra. Dass das Unternehmen so lange zögert, ist für Küspert nicht weiter verwunderlich: "Die große Investition ist nicht der Ankauf, sondern die Sanierung."

Abriss eröffnet Möglichkeiten

Die Stadt werde freilich nervös - sie sieht Wolfgang Küspert auch in der Verantwortung, die Entwicklung voranzutreiben: "Es reicht nicht, immer wieder darauf zu pochen, dass sich etwas bewegt. Die Stadt muss auch Lösungen anbieten - bis hin zur Möglichkeit eines Abrisses." Im Falle eines Abrisses habe man auch die Möglichkeit, die Nutzung der Neubauten über einen Bebauungsplan zu steuern: Neben einer Nahversorgung sei Platz für ein Hotel, ein Bürogebäude und auch für den so dringend benötigten Wohnraum. "Auch geförderte Wohnungen können dort - etwas zurückversetzt von der Straße - wunderbar entstehen", sagt der Nürnberger Immobilienberater.

 

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