„Nix schenners als wie's Obbernhaus!“

22.6.2018, 11:35 Uhr
„Nix schenners als wie's Obbernhaus!“

© Hermann Martin

Die Hamburger Elbphilharmonie und das Nürnberger Opernhaus – obschon im Abstand von 111 Jahren vollendet – haben einiges gemein, etwa, dass sie viel mehr Geld verschlangen als geplant. Und dass sie sich durch ihre brillante Architektur und ihre städtebauliche Strahlkraft dennoch den Weg in die Herzen der Bürger und ihrer Gäste aus aller Welt gebahnt haben. Da ist es nur logisch, dass eine Plakataktion des Staatstheaters Nürnberg einen Fan mit den Worten zitiert: „Nix schenners als wie’s Obbernhaus!“ Wenige werden ihm widersprechen.

Im September 1905, als das „Neue Stadttheater am Ring“ – so hieß das Opernhaus damals – nach vierjähriger Bauzeit eingeweiht wurde, sah das noch nicht so aus: Da herrschte eine ziemlich betretene Stimmung, die auch Ferdinand Jägers eigens komponiertes Schauspiel „Im neuen Hause“ nicht überdecken konnte. Oberbürgermeister Georg Ritter von Schuh hatte sich vorzeitig in den Urlaub verabschiedet und die Stadträte – um die horrenden Baukosten wissend – machten gute Miene zum bösen Spiel.

Doch von Anfang an: 1897 fand die Stadt Nürnberg nach langer Suche einen Bauplatz für das neue Theater. Das alte Haus am Lorenzer Platz, seiner monotonen klassizistischen Architektur wegen im Volksmund „Vuglhaisla“ (Vogelhäuschen) gescholten, genügte den Ansprüchen von Publikum und Intendanz nicht mehr. Dass das frühere Krankenhaus am Frauentorgraben seit Vollendung des heutigen Klinikums Nord leer stand, kam der Stadtspitze zupass: Sein Grundstück war ausreichend groß und aufgrund seiner Lage dazu auserkoren, Nürnbergs neuen Prachtboulevard im Süden der Altstadt um ein Wahrzeichen zu bereichern.

„Nix schenners als wie's Obbernhaus!“

© J. H. St. (Sammlung Sebastian Gulden)

Der Berliner Architekt Heinrich Seeling stellte seine Fähigkeiten im Theaterbau unter Beweis: Seine Planung mit weiten Umgängen um das Zuschauerhaus und das ausgeklügelte Sicherheitskonzept mit großzügigen Fluchtwegen und feuersicherer Konstruktion erntete regen Beifall. Der Wunsch des OBs, das Gebäude außen im lokalpatriotischen „Nürnberger Stil“ (einer Mischung aus Gotik und Renaissance) zu gestalten, wuchs sich indes zum PR-Desaster aus.

Als Baustil, der im 16. Jahrhundert ganz überwiegend beim Bau von Wohnhäusern und kleineren öffentlichen Gebäuden Anwendung fand, war er für einen bombastischen Theaterbau ungeeignet. Nach jahrelangem Hickhack zog Seeling mit einem alternativen Entwurf im Neubarock einen Schlussstrich unter die Debatte. Dass das Neue Stadttheater am Ende das bis dahin teuerste seiner Kategorie wurde, war Wasser auf die Mühlen der Kritiker.

Dennoch: Der Koloss der Künste mit seinen reich gegliederten und mit Reliefs geschmückten, wenn auch in den Details etwas blockhaften Sandsteinfassaden und dem hohen Bühnenhausturm mit geschweifter Kuppel, der dem Gebäude die Anmutung eines Kirchenbaus gibt, wuchs den Nürnbergern ans Herz. Mit Ausnahme des Hauptbahnhofs gibt es kein Ansichtskartenmotiv außerhalb der Altstadt, das so oft und in solcher Vielfalt aufgelegt wurde. Seeling war es gelungen, Nürnberg ein neues Wahrzeichen zu schenken, das auch jene schätzen lernten, die das Theater nie von innen sahen.

„Nix schenners als wie's Obbernhaus!“

© unbekannt (Stiftung Staatstheater Nürnberg)

Und da verpassten sie einiges! Maler, Bildhauer und Stuckateure aus Nürnberg, Wien und Berlin – darunter Hermann Schwabe, Philipp Kittler und Hermann Feuerhahn – statteten die Innenräume im feinsten Jugendstil aus. Das Foyer im ersten Rang (heute „Glucksaal“) verwandelten Karl Selzer und Gustav Eggena durch Illusionsmalereien in eine verwunschene Gartenlandschaft.

Im Zuschauerhaus mit seinen üppigen Stuckaturen begrüßte ein von Alexander Rothaug geschaffener Bühnenvorhang mit der Personifikation der Fantasie in einem Strahlenkranz die Theatergäste. Wer hier dem Orchester beim Stimmen der Instrumente lauschte, musste nicht im Programmheft blättern: Es gab mehr als genug zu sehen.

Das Neue Stadttheater am Ring blieb zunächst ein Fragment. Die von Seeling geplante Festhalle, der Turm und der Verbindungstrakt blieben Papierarchitektur. Erst spätere Generationen vollendeten das Werk in veränderter Form. Und auch der Jugendstilpracht im Inneren sollte kein langes Leben beschieden sein. Doch dazu in den beiden nächsten Folgen mehr.

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