NSU-Prozess: Hat ein Angeklagter den Zeugen beeinflusst?

16.10.2014, 20:17 Uhr
Der Angeklagte André R. wollte keine Angaben zu seine Gesinnungsgenossen machen.

© Peter Kneffel Der Angeklagte André R. wollte keine Angaben zu seine Gesinnungsgenossen machen.

Das Oberlandesgericht München hat sich im NSU-Prozess vergeblich bemüht, ein mutmaßliches Mitglied der konspirativen "Hammerskins" zu Aussagen über die Neonazi-Organisation zu bewegen. Nach einer langen, teils hitzigen Debatte zwischen den Prozessparteien verzichtete das OLG auf Fragen zu diesem Thema. Für Aufsehen sorgte dann allerdings ein Spruch auf dem Kapuzenpullover des Angeklagten André E. Er lautet: "Brüder schweigen" und darunter in kleineren Lettern: "...bis in den Tod".

Nebenkläger Yavuz Narin beantragte, das Kleidungsstück zu inspizieren. E. habe damit möglicherweise den Zeugen beeinflussen wollen. Zudem sei der Spruch einer neonazistischen Terrororganisation in den USA entlehnt, "auf die sich die 'Hammerskins' geradezu religiös berufen", sagte Narin. Auch die Bundesanwaltschaft sah die Gefahr der Zeugenbeeinflussung und wertete das Symbol außerdem als "Statement" des Angeklagten, der damit seine rechtsextreme Gesinnung zur Schau stelle. Die Verhandlung wurde unterbrochen und der Angeklagte E. mit seinem Kleidungsstück fotografiert.

Die "Hammerskins" sind eine militante Organisation amerikanischer Neonazis. Sie sind auch in mehreren europäischen Staaten einschließlich Deutschland organisiert. Die konspirative Gruppierung gilt ebenso wie der Zeuge als Teil der Unterstützerszene des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU). Dem Trio werden zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge vorgeworfen.

Aussage verweigert

Zu Beginn des Verhandlungstages hatte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl den Zeugen gefragt, ob er Mitglied der "Hammerskins" sei. Schon diese Frage wollte er nicht beantworten. Zunächst begründete er sein Schweigen damit, Auskünfte zu den "Hammerskins" verstießen gegen sein "Wertesystem". Das akzeptierte das Gericht aber nicht, wie schon bei zwei früheren Terminen, bei denen der Richter ihm eine Ordnungsstrafe angedroht hatte. Anschließend sagte der Zeuge, er belaste sich möglicherweise selber, wenn er die Frage beantworte und habe darum ein Recht, die Auskunft zu verweigern.

Das Gericht prüfte daraufhin Unterlagen der Staatsanwaltschaft Dresden, die bis zum Jahr 2006 untersucht hatte, ob die "Hammerskins" als kriminelle Vereinigung einzustufen seien, das Verfahren aber eingestellt hatte. Dennoch akzeptierte das Gericht dann das Schweigen des Zeugen, allerdings nur in Bezug auf die "Hammerskins". In der Debatte hatte sich die Verteidigung des ebenfalls mitangeklagten Ralf Wohlleben immer wieder nachdrücklich für ein Schweigerecht des Zeugen eingesetzt. Wohlleben und André E. sind beide als mutmaßliche Unterstützer des NSU um Beate Zschäpe angeklagt.

Erst am Nachmittag kamen die Prozessparteien dazu, Fragen zu anderen Themen an den Zeugen zu stellen, wobei er auch hier immer wieder die Aussage verweigerte. Eine Nebenklägerin hielt ihm eine SMS vor, die er auf sein Handy erhalten haben soll und die lautete: "Ich hab Dein Spielzeug mit. Da kannste jetzt das jüngste Gericht einläuten. [...] Heil Beate". Ein weiterer Nebenkläger zitierte aus einem Bericht des bayerischen Verfassungsschutzes, der Zeuge habe eine "kurzzeitige sexuelle Affäre" mit Zschäpe gehabt. Zu beiden Komplexen schwieg er.

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