Nürnberg: Wie der Zoll den Drogenring zerschlug

17.5.2014, 17:00 Uhr
645 Kilogramm Marihuana wurden im vergangenen Oktober bei Nürnberg sichergestellt. Das brachte eine heiße Spur.

© Ralf Rödel 645 Kilogramm Marihuana wurden im vergangenen Oktober bei Nürnberg sichergestellt. Das brachte eine heiße Spur.

Neun Tatverdächtige haben die Ermittler der Zollfahndung, des bayerischen Landeskriminalamts und des Rauschgiftkommissariats der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt-Süd festgenommen. Sieben davon auf frischer Tat am 25. April südlich von Halle in einer leeren Fabrik, als sie Marihuana aus einem Versteck in einem Lkw entluden. Die Ermittlungsergebnisse wurden am Freitag in Nürnberg vorgestellt.

Die Männer im Alter zwischen 30 und 49 Jahren warten derzeit auf ihren Prozess. Acht Täter stammen aus Osteuropa. Darunter befindet sich ein albanisches Brüderpaar im Alter von 44 und 49 Jahren, die als Rädelsführer des international agierenden Drogenschmugglerrings gelten. Für Rudolf Ertl, den stellvertretenden Leiter des Zollfahndungsamts München, arbeitete die Bande „hochprofessionell“ und nutzte die normalen Transitwege. Sie konnte nur durch die akribischen Ermittlungen und den Einsatz von bis zu 120 Beamten überführt werden. Die Täter, die ihren Rückzugsraum in Schleswig-Holstein hatten, wechselten bisweilen täglich ihre Telefonkarten. Die Drogen wurden offenbar in der Gegend von Leipzig und Halle an Kuriere verteilt. Dort flog die Bande auch auf.

Die Ermittlungen begannen am 30. Oktober 2013, als der damals vierjährige Zollhund Fee bei einer Routinekontrolle eines seriös aussehenden Naturstein-Transporters aus Albanien auf einem Autobahnrastplatz bei Nürnberg anschlug. Bei genauerer Untersuchung der Fracht kamen den Zollfahndern Zweifel, ob die Natursteine echt waren, und sie hatten recht. Der angeblich 17 Tonnen schwere Stein, der dann von der Nürnberger Feuerwehr untersucht wurde, war kein Granitblock, wie ihn die Papiere auswiesen, sondern ein Betonquader mit einem professionell eingebauten Versteck, der in Albanien hergestellt wurde. Darin waren 374 Pakete Marihuana mit einem Gewicht von 645 Kilogramm). Der Preis auf dem Schwarzmarkt liegt bei 5,5 Millionen Euro. Der Fall habe gezeigt, so Ertl, wie wichtig der Faktor Mensch bei den Ermittlungen sei.

Dieser Zufallsfund war der Anlass für eine großangelegte Fahndung, um nicht nur den Lkw-Fahrer, sondern auch die Drahtzieher des Drogenschmuggels zu erwischen. Am Ende stellte sich heraus, dass davon ausgegangen werden kann, dass acht weitere solcher Marihuanatransporte mit vorgetäuschten Granitquadern von Albanien aus erfolgt sind. Drei Transporte gingen nach Deutschland, drei nach Italien und zwei in die Niederlande. Vorsichtigen Schätzungen zufolge schmuggelte der raffiniert arbeitende internationale Drogenring auf diese Weise 5,6 Tonnen Marihuana, das einen Wert auf dem Schwarzmarkt von mindestens 50 Millionen Euro hat. Sichergestellt wurde aber nur der Fund in Nürnberg. Hinzu kommen noch 200 Kilogramm Marihuana bei der Festnahme der Bande in Halle.

Sieben der Festgenommenen seien inzwischen in Untersuchungshaft, so der Leiter der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift beim Zollfahndungsamt München, Jürgen Thiel. Alle schwiegen zu den Vorwürfen. Der Lkw-Fahrer des Fundes in Nürnberg muss sich demnächst vor Gericht verantworten. Ein neunter, aus Bayerisch-Schwaben stammender Verdächtiger, ging der österreichischen Polizei ins Netz. Er soll als Kurier für die Bande gearbeitet haben und hatte 50 Kilogramm Marihuana bei der Festnahme seinem Auto dabei.

Thiel sprach vom größten Drogenfund der vergangenen 20 Jahre in Bayern. Die von der Bande geschmuggelte Menge entspreche etwa der Menge Marihuana, die im vergangenen Jahr bundesweit bei Razzien in illegalen Marihuana-Plantagen sichergestellt worden sei, ergänzte Rauschgiftfahnder Hans Schmidt vom bayerischen Landeskriminalamt.

Verdachtsmomente gab es seit 20 Jahren

Nach Erkenntnissen der Ermittler ging die Bande unter Federführung des albanischen Brüderpaars mit konspirativer Wohnung in Halle immer auf die gleiche Weise vor: Komplizen in Albanien hätten das dort im Freiland angebaute Marihuana in speziell präparierten Betonblöcken versteckt. Sie seien dann so bearbeitet worden, dass sie wie rohe Granitsteine wirkten, berichtete Thiel.

Die jahrelangen kriminellen Machenschaften der Bande flogen auf, als Fahnder nach monatelanger Beschattung und Telefonüberwachung bei dem Treffen am 25. April auf dem Fabrikgelände südlich von Halle zuschlugen. Nach Angaben des Leiters des Rauschgiftkommissariats bei der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt, Sven Caroli, hatten Fahnder das albanische Brüderpaar schon seit 20 Jahren im Blick. Stets habe es jedoch an Beweisen für die von der Kriminalpolizei vermuteten kriminellen Aktionen gefehlt. Trotz einer zweijährigen Bewährungsstrafe hätten die beiden weiterhin die Fäden in den Händen behalten, wie sich inzwischen herausgestellt habe, berichtete Caroli. Sie hatten offiziell keine Einkünfte.

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