Nürnberger Schüler sollten KZ-Schlafstätte bauen

29.12.2012, 07:59 Uhr
Nürnberger Schüler sollten KZ-Schlafstätte bauen

© dpa

Im Februar 2013 kommt die Anne-Frank-Wanderausstellung ins Gemeinschaftshaus Langwasser, in deren Rahmen das Amt für Kultur und Freizeit der Stadt Nürnberg (KuF) die Schulen im Stadtgebiet zur engagierten Mitarbeit aufgerufen hat. Die Künstlerin Manuela Dilly, Betreiberin der Kleinen Kreativ Werkstatt in Zabo, plante ein Projekt mit Jugendlichen verschiedener Nationalitäten und Jahrgangsstufen an der Peter-Vischer-Schule in St.Johannis. Doch bei der Umsetzung taten sich hohe Hürden auf, die das Projekt letztendlich zu Fall brachten.

Nürnberger Schüler sollten KZ-Schlafstätte bauen

© Karlheinz Daut

Dilly wollte mit Schülern der neunten und eventuell auch zehnten Jahrgangsstufe die Schlafbaracke eines Konzentrationslagers „in Originalgröße wirklichkeitsnah nachbauen“. Das Projekt sollte die beklemmende Lebenssituation des jüdischen Mädchens Anne Frank durch eine dreidimensionale Installation plus Wandmalerei, Licht und Geräuschen, begleitet von Lesungen und Führungen, veranschaulichen. „Es ist angedacht, die Schüler bei bestimmten Anlässen als Statisten agieren zu lassen“, so die Projektbeschreibung der Künstlerin. Realisiert werden sollte die Idee in einem Kellerraum der Peter-Vischer-Schule, „um die Authentizität möglichst lückenlos kreieren zu können“.

Lob vom Direktor

Dillys kunstpädagogisches Konzept wurde von der Leitung der Peter-Vischer-Schule, die den Titel „Schule ohne Rassismus“ trägt, auf Anhieb positiv angenommen. „Frau Dilly hat bei uns mit den Schülern schon tolle Projekte gemacht, es gelingt ihr hervorragend die Kinder einzubringen“, lobt Direktor Thomas Karl die Zusammenarbeit mit der Künstlerin. Umso mehr bedauert er, dass das Projekt am Widerstand des KuF und des Hochbauamtes gescheitert ist.

Dabei habe es zunächst positive Signale vonseiten der Stadt gegeben, so Dilly. Die erste Begehung der vorgesehenen Räumlichkeiten in der Schule mit Mitarbeitern des KuF und des städtischen Hochbauamts sei ohne Beanstandungen verlaufen. Auch die Finanzierung – etwa 5000 Euro aus einem bereitgestellten Fördertopf – sei schon so gut wie gesichert gewesen. Doch dann folgte plötzlich die Absage. „Zunächst hieß es, das Vorhaben sei nun doch zu teuer“, erinnert sich Dilly. Da ihr das Anne-Frank-Projekt sehr am Herzen lag, erbot sie sich, unentgeltlich zu arbeiten und selbst Sponsoren zur Deckung der Materialkosten zu suchen.

Daraufhin habe man sie wissen lassen, dass das Hochbauamt den Raum aus Brandschutzgründen nicht für geeignet hält. Erst auf ihren Einwand hin, dass während der Ortsbesichtigung keinerlei Bedenken geäußert worden waren, habe man ihr schließlich mitgeteilt, dass auch das KuF ihre Pläne nicht mehr unterstützen könne. Es sei pädagogisch nicht vertretbar, Schüler Teile eines Konzentrationslagers nachbauen zu lassen, so die Begründung.

„Das klingt für mich einfach nur fadenscheinig“, bedauert die Künstlerin, die sich unfair behandelt fühlt. Es sei wichtig, sich der Vergangenheit vorbehaltlos zu stellen und sie aufzuarbeiten. Auch wenn die Schüler mit und ohne Migrationshintergrund mit dieser Vergangenheit nichts mehr zu tun haben, sollten sie darüber Bescheid wissen, betont sie.

Schulleiter Thomas Karl zeigt sich ebenfalls enttäuscht über die Absage. „Die Schüler hätten kein KZ nachgebaut, sondern ein Demonstrationsobjekt, das ihnen und den Besuchern einen direkten Zugang zur Thematik erlaubt hätte“, ist Karl überzeugt. Die Installation hätte seiner Meinung nach auch künftig den Unterricht bereichern können. „Das hätte in unser Gesamtkonzept für die Aufarbeitung des Dritten Reichs genau hineingepasst.“ Natürlich sei es vorgesehen gewesen, „das pädagogisch sauber zu begleiten“.

Peter Hautmann, stellvertretender Leiter im KuF, wertet Dillys Projektidee dagegen als „kulturpädagogisch äußerst problematisch“. Hautmann spricht von einem „großen Unbehagen“, das sich innerhalb der Runde der KuF-Abteilungsleiter bei der Abstimmung über Dillys Projekt breitgemacht habe. Zudem habe ihm keiner erklären können, wie es gelingen sollte, „dass den Schülern diese Arbeit Spaß macht“. Hautmann räumt allerdings ein, nie mit der Künstlerin persönlich gesprochen zu haben.

Dilly gibt an, dass ihr das KuF im Laufe der Recherchen des Stadtanzeigers gedroht habe: Eine negative Berichterstattung könne sich ungünstig auf die künftige Zusammenarbeit auswirken. Dilly, die auch in Kulturläden als Honorarkraft im Einsatz ist, schreckt dies nicht: „Die Workshops sind so schlecht bezahlt, darauf kann ich notfalls verzichten.“

„Sehr heikel“

Alexander Schmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Dokuzentrum, zudem langjähriger pädagogischer Leiter in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, teilt die skeptische Einschätzung des KuF-Vizes. Seiner Meinung nach sollte man „Schülern die Rolle eines KZ-Häftlings nicht zumuten“. Es sei eine „Fehleinschätzung, dass man das Leid der Inhaftierten nachempfinden kann“. Nachbauten von Baracken, etwa in Dachau, wirkten häufig „wie Jugendherbergen in den 50er Jahren“. Schmidt: „Das ist sehr heikel und eine extreme Gratwanderung. Das kann ganz schnell kitschig wirken.“

Arno Hamburger, Vorsitzender der israelitischen Kultusgemeinde, hält ebenfalls wenig von der Projektidee. Anne Frank sei nur kurz im KZ gewesen und die Schlafstätten hätten überall anders ausgesehen. Sein Vorschlag: „Die Schüler sollten besser den Dachraum nachbauen, in dem Anne Frank sich lange Zeit versteckt gehalten hatte.“
 

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