Nürnberger Wirte suchen händeringend Lehrlinge

6.3.2015, 06:00 Uhr
Nürnberger Wirte suchen händeringend Lehrlinge

© dpa

Viele Köche verderben den Brei. Stimmt das überhaupt? Marc Schmidt sieht das anders. Viele Köche wären sehr wünschenswert. Doch die Realität sieht anders aus: Es gibt immer weniger. Der 29-Jährige ist Betriebsleiter der Barcode Union GmbH, die Restaurants wie das Lorenz und Zeit & Raum unterhält. Und die sucht seit einiger Zeit für ihre Lokale händeringend Koch-Lehrlinge. Aber ohne Erfolg. Nur drei von 13 offenen Stellen konnte die GmbH in den vergangenen Monaten besetzen. "Früher landeten pro Jahr 150 Bewerbungen auf dem Tisch, heute sind es nur noch 25", sagt Schmidt.

Geteilte Arbeitszeiten

Ein Zuckerschlecken ist der Beruf noch nie gewesen. Er strengt an und fordert den Angestellten. Da sind etwa die geteilten Arbeitszeiten. Ein Koch muss in vielen Betrieben bereit sein, sowohl am Vormittag als auch am Abend bis in die Nacht Dienst zu schieben. Das trifft auch auf Sonn- und Feiertage zu. Vor allem das finden jüngere Menschen an diesem Beruf unattraktiv. Denn sie müssten ran, wenn ihre Freunde Freizeit haben. Belastend ist es allerdings auch, in der Küche die meiste Zeit zu stehen, der Hitze am Herd und der Kälte im Kühlhaus ausgesetzt zu sein. Ein Koch muss sich außerdem gut konzentrieren können. Das ist besonders wichtig, wenn die Bestellungen nur so in die Küche flattern und der Druck am größten ist.

Doch bietet der Job auch eine Reihe von Pluspunkten, die in anderen Berufsgruppen zu kurz kommen. "Bei uns dürfen die Azubis gleich mitarbeiten und haben ihr persönliches Erfolgserlebnis", so Schmidt. Ein Koch trägt zudem große Verantwortung, soll kreativ sein und eigene Ideen einbringen. Er arbeitet nicht alleine vor sich hin, sondern kommt mit vielen Menschen in Kontakt. "Der Job ist ideal für alle, die ihre Arbeitszeit nicht am Schreibtisch verbringen wollen."

Neue Dokumentationspflichten

Doch das war ja schon immer so. Warum dann aber das Interesse am Beruf schwindet? Schmidt spekuliert: Die neuen Dokumentationspflichten in Speisekarten (Beispiel: Allergenen-Kennzeichnung) würden den Beruf für viele nicht gerade sexy machen. "Immer mehr Junge wollen auch keine Berufsausbildung mehr anfangen, sondern studieren."

Doch Ursachenforschung bringt die GmbH nicht weiter. Um wirtschaftlich nicht in Schieflage zu geraten, schränkt sie die Öffnungszeiten von Zeit & Raum ein: Seit 1. März hat das Lokal unter der Woche erst ab 17 Uhr geöffnet. "Nüchtern betrachtet, können wir ohne genügend Auszubildende den Verlust am Tag durch das Geschäft am Abend nicht decken", so Geschäftsführer Christian Wagner.

Stefan Rottner, Inhaber des gleichnamigen Hotels und Restaurants im Stadtteil Großreuth bei Schweinau, musste auch schon reagieren. Montag- und Samstagmittag bleibt in seinem Gasthaus die Küche kalt. Denn auch in seinem Geschäft sind die Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen merklich zurückgegangen. Waren es in der Vergangenheit noch 30, kommen heute nur noch fünf Bewerbungen auf eine Stelle, so der Wirt. "Aktuell sind wir noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen." Anfang März hat Rottner zwei neue Köche eingestellt und im Mai folgt noch ein weiterer.

Das Thema beschäftigt aber nicht nur die Praxis. In den Berufsschulen lässt sich dieser Trend ebenfalls ablesen. Gastronomen, Bäcker, Konditoren und Metzger werden in der Berufsschule 3 ausgebildet. Schulleiter Ludwig Englert findet dazu klare Worte: "Die Entwicklung ist politisch gewollt." Denn die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) lege der Bundesregierung schon lange nahe, mehr junge Menschen an die Hochschulen zu führen. Mit Erfolg. Die Zahl der Studienanfänger steigt, die der Auszubildenden sinkt, klagt Englert. "Das macht sich jedoch nicht nur in der Gastronomie bemerkbar. Es betrifft das komplette duale Ausbildungssystem, vor allem im Handwerk."

Arbeitslosengeld vorgezogen

Versprochen haben sich Politik und Wirtschaft laut Englert auch mehr von der gezielten Anwerbung junger Menschen aus Spanien. Von den einst 30 Personen, die in der B 3 die Schulbank gedrückt haben und auf einen Beruf vorbereitet wurden, sind heute nur noch vier übrig.

"Die anderen sind nach Spanien zurückgegangen, weil sie nach einem Jahr Auslandsaufenthalt in ihrer Heimat Arbeitslosengeld bekommen", erklärt der Schulleiter. Eine kleine Chance, um die negative Entwicklung in der Gastronomie etwas zu bremsen, sieht er darin, junge Flüchtlinge an die hiesige Arbeitswelt heranzuführen. Seit zwei Jahren bietet die B 3 jungen Asylbewerbern eine Berufsvorbereitung an. "Die Schüler sind hochmotiviert. Da geraten meine Kollegen richtig ins Schwärmen."

Doch sind die Betriebe selbst sehr zurückhaltend. Kein Wunder. Denn der Aufenthaltsstatus vieler Flüchtlinge ist wackelig. "Die Unternehmen benötigen Rechtssicherheit", fordert Ulrich Brandl, Präsident des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes.

"Wir Gastronomen würden gerne junge Flüchtlinge in ein Ausbildungsverhältnis aufnehmen", sagt der Hotelbesitzer. Was aber, wenn der junge Mensch nach drei Monaten in seine Heimat zurückmüsse? "Wir würden in Vorleistung gehen und am Ende stehen wir mit leeren Händen da. Das ist ein Problem."

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