Kaum Lust auf Fußball

25.7.2016, 17:00 Uhr
Kaum Lust auf Fußball

© Zink

Wenn es nach ihnen gegangen wäre, wären die Kicker von Cagrispor lieber nicht angetreten, zwei Tage nach dem blutigen Putschversuch in der Türkei. "Wir wollten das Spiel gegen den FC Bayern Kickers eigentlich auch absagen lassen" , sagt Okcan Tekdemir. "Es ist dabei ein Nürnberger gestorben, den wir auch kennen. Der war aktuell vor Ort in der Türkei. Und das trifft uns natürlich alle sehr."

Zudem hätten natürlich viele im Team Verwandte und Bekannte, die in der Türkei leben und um die man sich Sorgen mache. "Ich denke, es gibt derzeit wichtigeres als dieses Spiel", so Tekdemir vor der Begegnung.  Da eine Spiel-Absage zu kurzfristig gewesen wäre, belassen es die Kicker bei einer Schweigeminute vor dem Anpfiff.

Auch rund 150 Zuschauer sind erschienen. Schließlich gibt es bei Cagrispor durchaus interessante Vorzeichen zu deuten: Sieben Spieler hat der Verein geholt, teils mit höherklassiger Erfahrung; sie bereichern einen Kader, der in der vergangenen Spielzeit lange im erweiterten Kreis der Aufstiegskandidaten mitmischte und am Ende auf Rang sechs ins Ziel ging. Dieses Mal wird Cagri von der Konkurrenz gemeinsam mit Vizemeister Zirndorf und Absteiger Stadeln zu den Top-Favoriten gezählt. Sechs Neue stehen am Sonntag gegen BaKi gleich in der Startformation.

Eine größere Rolle als diese nimmt an diesem Nachmittag aber dann der Schiedsrichter ein. Zunächst verweigert er den Gästen einen Strafstoß — die Gäste schimpfen; dann stellt er kurz vor der Halbzeit Cagris Ayhan Bilici nach einer Grätsche im Mittelfeld glatt mit Rot vom Platz — die Heimfans schimpfen. Bilici schleicht mit hängendem Kopf vom Rasen, „die Erste im Herrenbereich“, sagt der immerhin schon 26-Jährige.

Kaum Lust auf Fußball

© Ralf Rödel

Dieser Platzverweis ist eine Art Schlüsselszene der Partie, die für Cagri sehr gut beginnt: Defensiv stabil, mit ordentlichem Spielaufbau. Neuzugang Mehmet Bilici (kam von Dergahspor) markiert einen sicheren Innenverteidiger, Neuzugang Ahmet Aydin (ASV Vach) ist ballsicher und auf der Sechs für den Spielaufbau zuständig. Neuzugang Okcan Tekdemir, auf der Zehn, bereitet mit einem Diagonalball die Führung durch den quirligen Neuzugang Iki Schmidt (SpVgg Diepersdorf) vor; hinter Schmidt agiert Neuzugang Leonardo Lugbunari (SC Germania) als stabiler Linksverteidiger. Im Kasten und mit einer über 90-minütigen souveränen Strafraumpräsenz: Bechloul Memet (Dergahspor). Später wird dann auch noch der Bayernliga-erfahrene Volkan Örken eingewechselt, dem aber sichtbar die Spielpraxis fehlt.

Doch schon lange vor der Roten Karte stellt die Elf von Coach Yasin Sümer das Spielen ein: Zu fahrig die Aktionen nach vorne, zu viele Verstrickungen in Zweikampfsituationen, zu wenig Augen für den Mitspieler. Es wird das Erwartbare deutlich: dass da eine Mannschaft noch nicht ineinander greift; „Das Team hat in dieser Konstellation noch nie zusammengespielt; die Vorbereitung war kurz, man die Müdigkeit gemerkt, und dass wir noch nicht bei 100 Prozent sind“, wird Coach Yasin Sümer nach dem Spiel sagen. Kürzlich erst ging der Ramadan zu Ende, mit Necati Güler und Ismail Yüce sind zudem zwei seiner wichtigsten Pfeiler im Urlaub. „Bei uns Türken ist das so: Wir arbeiten das ganze Jahr, dann fasten wir — und dann fahren wir in den Urlaub“, bringt es Okcan Tekdemir auf eine Formel. Meist fällt dieser Urlaub mit dem Saisonstart zusammen: „Wenn dir deine Achse fehlt, ist es schwer. Deswegen bin ich mit dem Punkt schon zufrieden“, sagt Sümer.

"Davon möchte ich gar nichts hören!"

Dass es am Ende nur ein Zähler wird, liegt an einem Elfmeter, den Enes Celik an Alexander Sekita verursacht. Cihan Kiymaz verwandelte sicher (72.). Zuvor schon dominiert der Gast die Partie in Überzahl, ohne dabei aber große Torchancen zu kreieren. Zehn Minuten vor Ende muss bei Cagri auch noch Tolga Dogan mit Gelb-Rot runter. Zu neunt erkämpfen sie sich den 1:1-Endstand in einer Partie, nach der für beide Teams noch Luft nach oben sein wird.

Doch hat Cagri so viel Luftvorrat, dass es für ganz oben reicht? „Favorit? Davon möchte ich gar nichts hören“, sagt Coach Sümer. „Favorit sollte eine Mannschaft sein, die seit zwei Jahren zusammenspielt, in der jeder genau weiß, wer wann wohin läuft. Das ist bei uns noch lange nicht so, das geht nicht von heute auf morgen.“ Besser als in der vergangenen Saison will er abschneiden, auf diese Sprachregelung haben sie sich bei Cagrispor verständigt.