Oliver Tissot kommt auf die Bammes-Bühne in Buch

22.3.2017, 07:59 Uhr
Oliver Tissot kommt auf die Bammes-Bühne in Buch

© Foto: Margot Jansen

Herr Tissot, wenn man Jürgen von der Lippe glauben darf, sind "Leidensgeschichten ein gefundenes Fressen für Komiker". Stimmt das?

Tissot: Das liegt daran, dass Kranke nicht nur mit Mitleid bedacht werden wollen. Sondern sie fühlen besser: Wer lacht, steckt Schmerzen besser weg. Verblüffend ist auch, dass die Bereitschaft steigt, Medikamente zu nehmen oder eine Operation zuzulassen. Humor ist das Schmiermittel, das durch die Krankheit trägt.

Worauf müssen sich Ihre Zuschauer einstellen?

Tissot: Auf jede Menge Skurrilitäten, denn Falk Stirkat hat ein sehr intimes Verhältnis zum Thema. Er lässt sich als Notarzt gern in Regionen einteilen, wo sich Hase und Igel gute Nacht sagen . . . Die lustigsten Stellen in seinen Büchern sind die, bei denen er als Notarzt sehr plötzlich auf eine andere Lebenswirklichkeit trifft.

Zum Beispiel?

Tissot: Ein verheirateter Mann erleidet im Bett seiner Geliebten einen Herzinfarkt – und dann wird mit dem Notarzt verhandelt, was der als Auffindeort angeben soll. Oder es streiten sich Sanitäter darum, wer zuständig ist. Es geht ja immer auch um Geld in unserem Gesundheitssystem.

Jetzt weiß man ja, dass Ärzte einen besonders schwarzen, ja fast sarkastischen Humor haben. Kann da jeder mitlachen?

Tissot: Einen meiner ersten Auftritte hatte ich bei einem Ärztekongress in einer Klinik für schwer Brandverletzte. Einige Komiker-Kollegen hatten das schon abgelehnt: zu makaber. Ich hatte auch Angst. Ich wusste ja nicht, ob und wie mein Humor ankommt. Aber dann habe ich die Stich- und Hobeltechniken der Mediziner so verballhornt, dass die Mediziner hellauf begeistert waren. Ich würde sagen: Ärzte sind musische Menschen mit rabenschwarzem Humor. Damit puffern sie auch das Elend ab, mit dem sie täglich konfrontiert sind.

Patienten waren bei Ihrer Show aber nicht dabei?

Tissot: Später dann. Ich wurde wieder eingeladen und bin vor Menschen aufgetreten, die für immer durch die Brandverletzungen gezeichnet sind. Viele glühen vor Lebensfreude – weil sie wissen, sie haben noch einmal überlebt.

Gibt es Situationen, in denen sie keine Witze mehr machen würden?

Tissot: Ich versuche immer, das zu machen, von dem ich glaube, es hilft zur Genesung. Es gibt kein Tabu, selbst der Tod ist humorkompatibel. Vor einem Auftritt im Hospiz habe ich mich mit Mitarbeitern unterhalten. Die sagten, die intimsten und berührendsten Gespräche mit den Todkranken seien immer von Heiterkeit begleitet, man verlacht die Krankheit nicht – aber man lacht gemeinsam über das Leben und die vielen schönen und schrägen Momente.

Sie sagen, Humor ist immer auf Augenhöhe. Ist die Scherz-Attacke auch für Kranke geeignet?

Tissot: Falk Stirkat hat unsere Flyer ganz gezielt in Krankenhäusern verteilt, weil er sagt: "Das ist unsere Zielgruppe, die wissen, wovon wir sprechen." Und ehrlich, können Sie sich ein besseres Thema vorstellen als Krankheiten? Oder denken Sie an die Klinikclowns: Wenn die den Ablauf auf den Stationen stören würden, wären sie längst rausgeschmissen worden. Stattdessen sind ihre Besuche offensichtlich heilsam.

Aber was ist mit den Hypochondern? Denen muss es doch am ganzen Körper kribbeln, wenn sie im medizinischen Kabarett sitzen.

Tissot: Wenn man die Ängste der Hypochonder spiegelt, kann man etwas bewirken. Für meine Doktorarbeit über Humor habe ich mich auch damit beschäftigt. Hypochonder werden erfolgreich mit provokativer Therapie behandelt. Dabei sagt der Arzt dann nicht "Oje, das ist aber schlimm", sondern er lenkt die Aufmerksamkeit um. Motto: "Ich erzähle Ihnen jetzt mal, was andere haben". Das funktioniert.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie selbst krank sind?

Tissot: Ich gehe auch mit Erkältung und leicht fiebrig auf die Bühne. Der Körper schüttet beim Auftritt so viel Adrenalin und Endorphin aus, dass ich nachher oft gesünder bin. Ich versuche, die Krankheit mit meinen eigenen Waffen in Schach zu halten – und nenne es die "Medizinmann-Technik". Ich bin nicht der typische Mann, der schniefend und schwer leidend auf dem Sofa liegt. Mir hilft es eher, wenn man mir einen Tritt verpasst. Das verkürzt das Baden in der Krankheit. Aber das muss jeder selbst entscheiden. Menschen, auch wenn sie krank sind, sind mündig und können sagen, ob sie lieber bemitleidet oder bespaßt werden wollen.

Wird es denn in Ihrem Programm auch blutig?

Tissot: Das Schöne ist, so wie Falk Stirkat schreibt, es läuft sofort der Film vor dem inneren Auge. Auf Kunstblut oder Instrumente können wir ganz verzichten.

Aber bestimmt werden doch im Bammes Leber und Saure Lunge serviert, oder?

Tissot: Das habe ich schon mehrfach angeregt. Das wäre eine schöne Klammer fürs Programm. Aber der Koch ist ambitioniert . . .

Verraten Sie uns doch Ihren Lieblingswitz zum Thema.

Tissot: Kann ich nicht. Ich bin jemand, der keine Witze erzählt und kann mich auch an keine erinnern. Ich interpretiere Worte und Begriffe. Bei der Scherz-Attacke wird Frank Stirkat lesen, ich greife die Reizworte auf und jongliere mit ihnen, füge etwas hinzu, das in den Zeitungen stand, oder frage das Publikum nach Berufen und natürlich seinen Krankheiten.

Würden Sie denn selbst gern einmal im Notarztwagen mitfahren?

Tissot: Ich bin beruflich viel mit dem Auto unterwegs und träume davon, mit Blaulicht freie Fahrt zu haben. Das mit dem Notarzt habe ich schon erlebt – allerdings aus der anderen Perspektive. Vor zwei Jahren hatte ich einen Unfall, wurde aus dem Auto gezogen und wusste nichts mehr. Amnesie. Der Notarzt befürchtete eine Kopfverletzung und hat die ganze Zeit auf dem Weg ins Krankenhaus meine Hand gehalten, das war schön.

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