„Papa ist weg“ — und nun?

9.8.2015, 19:49 Uhr
„Papa ist weg“ — und nun?

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Das Sommermärchen endet für Susanne P. nicht mit einem Happy End. Es ist Juli 2006, die Fußball-Weltmeisterschaft ist in Deutschland zu Gast. Susanne P. (Namen geändert) wartet zu Hause auf ihren Mann, wütend. Eifersucht ist in der Familie Thema. Er bleibt die Nacht weg, „ich dachte, er ist nach einem Spiel feiern gegangen“.

Doch nichts dergleichen. Stattdessen ruft eine Bekannte an: „Es ist etwas passiert.“ Was genau, erfährt P. nach und nach. Die Polizei hat ihren Mann festgenommen, weil er Zigaretten geschmuggelt hat. Wenig später durchsuchen Beamte ihr Zuhause. Schon an der Grenze hat man Peter P. erwischt. Er kooperiert, will helfen, Mittäter zu überführen. Und dennoch: Es geht um eine ganze Lkw-Ladung. Bandenmäßige Steuerhinterziehung.

Das Urteil: Drei Jahre und neun Monate muss Peter P. ins Gefängnis. Heute redet Peter P. ungern über diese Zeit hinter Gittern und über seine kriminelle Vergangenheit, die seine Frau nur geahnt hat. Das Schlimmste, sagt er jetzt noch, sei es gewesen, die Kinder am ersten Schultag nicht zu begleiten. Eines steht für den Vater von zwei Töchtern und einem Sohn fest: Nie mehr will er auf die schiefe Bahn geraten, nie mehr will er ins Gefängnis.

„Papa ist weg“ — und nun?

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Susanne P. wirft nicht mal mehr eine Zigarettenkippe auf den Boden — auch wenn sie die Tat nicht begangen hat. Und doch ist auch Susanne P. betroffen, muss sie doch mit einem Mal damit umgehen, mit einem Sträfling verheiratet zu sein. Und sie fragt sich: „Was sage ich den Kindern?“

P., 38, erzählt: „Papa muss weg, aber er hat niemandem weh getan.“So schildert sie es den Mädchen, die damals vier und sechs Jahre alt sind. Sie sagt auch: „Redet nicht darüber.“ Dass die Kinder in einem anderen Stadtteil in den Kindergarten gehen, kommt ihr entgegen. „Ich wollte nicht, dass andere Kinder böse Sprüche klopfen.“ Christel Brendle hört ihr aufmerksam zu. Sie ist stolz auf die Frau, die ihr gegenüber sitzt. Es ist eine andere als die, die einst durch ein Plakat den Weg zum „Treffpunkt“ gefunden hatte.

Hier beraten Brendle und Kollegen Angehörige von Inhaftierten. Susanne P. findet dort Halt und Informationen. „Ich war fertig, hatte zehn Kilo abgenommen, musste mit Anwälten sprechen, Besuche organisieren — und war zu Hause allein.“ Durch die Gruppe und Beratung im Treffpunkt merkte sie: Andere machen das auch durch. Heute lebt die Familie in „geordneten Verhältnissen“ — trotz der Schulden. Kfz-Mechaniker Peter P., 2006 noch Hartz-IV-Empfänger, hat Arbeit gefunden — dank einer Weiterbildung.

Was bleibt, ist das Stigma: Peter P. war im Gefängnis. Susanne P. ist mit einem Ex-Sträfling verheiratet. Das bleibt für immer so. Die inzwischen so taffe Frau wischt dies weg. Heute ist es für sie nur noch Vergangenheit. Vorurteile hat sie nicht oft erlebt. Und doch will sie ihren Namen nicht nennen. „Ich gehe damit natürlich nicht hausieren“, sagt Susanne P. .

„Viele, die zu uns kommen, gehen gestärkt aus der Sache hervor“, weiß Christel Brendle. Auch Beziehungen gewinnen an Kraft, wenn sie diese Probe bestehen. Brendle muss es wissen: 2867 Kontakte hatte der Treffpunkt im Jahr 2014.

Wie offen jemand damit umgeht, sagt Brendle, muss jeder selbst wissen. Peter P. redet ungern darüber. Er ist für seinen Fehler geradegestanden, sagt er. Einmal kriminell, immer kriminell? Für ihn soll das nie gelten.

Betroffene finden Hilfe beim Treffpunkt, Fürther Straße 212. Infos unter Tel. (09 11) 2 74 76 94 oder auch www.treffpunkt-nbg.de

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