Pizza und 190.000 Euro: Gerichtsvollzieher über den Alltag

25.5.2018, 07:16 Uhr
Das Pfandsiegel der Gerichtsvollzieher, auch Kuckuck genannt, kommt in der Praxis nur noch selten zum Einsatz.

©  Kai Remmers / Archiv (dpa) Das Pfandsiegel der Gerichtsvollzieher, auch Kuckuck genannt, kommt in der Praxis nur noch selten zum Einsatz.

Teile der Innenstadt, der Plärrer und der Norikus – das ist das Revier von Frank Czaja. Sein häufigstes Erlebnis im Außendienst: Türen, die verschlossen bleiben. Entweder weil die Schuldner nicht daheim sind. Oder weil sie dem Gerichtsvollzieher einfach nicht öffnen wollen. "Die meisten müssen eigentlich wissen, dass der Gerichtsvollzieher kommt", sagt Czaja. Bis es soweit kommt, werden sie schließlich häufig mit ihrer Situation konfrontiert. Sich jetzt vor Czaja wegzuducken ist keine gute Idee. Der Gerichtsvollzieher kommt wieder, notfalls eben mit Unterstützung der Polizei und einem Erzwingungshaftbefehl. Meistens, so Czaja, gehe es auch nicht um große Beträge. Aber wenn Schuldner sowieso schon Schufa-Einträge haben, dann könnten sie eben die 500 bis 1000 Euro Miese, die sie wegen ihres Handys oder eines Vertrags mit einem Fitnessstudio gemacht haben, auch nicht einfach durch einen günstigeren Kleinkredit bei einer Bank begleichen.

Meist versucht Czaja dann, mit den Schuldnern Ratenzahlungen zu vereinbaren. "Dafür muss man mir glaubhaft machen, dass man die Raten auch bezahlt", sagt er. Die Alternative – eine Vermögensauskunft – sei schließlich auch für den Gläubiger meist schlechter. Da bekommt dieser schließlich lediglich schwarz auf weiß geliefert, dass bei dem Schuldner wirklich nichts zu holen ist. Freilich, Czaja könnte auch den "Kuckuck" zücken und auf pfändbare Gegenstände kleben. Aber: Landen Menschen erst einmal in einer Spirale aus Schulden, dann ist meist auch kein Auto mehr übrig, das man pfänden könnte. Außerdem: Fernsehgeräte und andere Elektronik verlieren mittlerweile so schnell an Wert und sind auch neu schon günstig zu haben, es würde sich gar nicht lohnen, diese einzuziehen und zu versilbern.

190.000 Euro in der Hosentasche

Ab und zu bekommt Czaja dann aber doch etwas Wertvolles in die Finger. Er ist schließlich auch für Straftäter zuständig. Der Gesetzgeber sieht vor, dass Kriminelle den finanziellen Vorteil, den sie durch ihre Taten erlangt haben, nicht behalten dürfen. Also darf Czaja Luxusuhren und Bargeld von Drogendealern pfänden. "Als ich einmal 190.000 Euro zur Bank tragen musste, hab ich nur gehofft, dass auf dem Weg dahin nichts passiert", sagt er.

Frank Czaja ist Gerichtsvollzieher und hat während seiner Arbeit schon viele Szenarien erlebt.

Frank Czaja ist Gerichtsvollzieher und hat während seiner Arbeit schon viele Szenarien erlebt. © Foto: privat

Bei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen muss sich der Gerichtsvollzieher in der Regel nicht direkt mit dem Schuldner auseinandersetzen, sondern stellt den Beschluss dem Drittschuldner zu – bei einer Gehaltspfändung beispielsweise dem Arbeitgeber. Das erhöht auch den Druck auf Schuldner. Schließlich ist es vielen peinlich, wenn andere Menschen von der finanziellen Misere erfahren. Scham ist übrigens auch der Grund dafür, warum die Zahlungsmoral auf dem Land höher ist als in der Stadt. "Da fällt es auf, wenn der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht", sagt Czaja. Seine Kollegen auf dem Land kommen deshalb oft schneller an Geld – man will eben mit aller Kraft vermeiden, dass der Gerichtsvollzieher noch einmal klingelt und die Nachbarn etwas bemerken könnten.

Unter Polizeischutz

Richtig brenzlig wird es für den Gerichtsvollzieher meist aber eher in anderen Fällen: etwa wenn es um die Räumung einer Wohnung geht oder – schlimmer noch – das Traumhaus unter den Hammer kommt und die früheren Eigentümer raus müssen. "Räumungen sind wahrscheinlich das Einschneidendste", sagt Czaja. Sind die Personen vorher schon einmal aufgefallen, nimmt er zu solchen Terminen deshalb auch lieber die Polizei mit. Im Herbst 2017 hatte ein Mann einen Gerichtsvollzieher in der Nürnberger Südstadt mit einer Waffe bedroht. Nun steht er vor Gericht.

Ob er Mitleid hat? "Das kann man natürlich empfinden, aber die Verfahrensweise darf man nicht ändern", sagt er. Überhaupt: Gerichtsvollzieher weisen auch kurz auf Hilfsangebote hin, bei Räumungen wird etwa das Sozialamt benachrichtigt. Außerdem: Kahl gepfändet wird dank diverser Schutzvorschriften sowieso niemand. Freilich, Fingerspitzengefühl muss man in dem Beruf haben. "In der öffentlichen Wahrnehmung ist der Gerichtsvollzieher eine eher unbeliebte Person", sagt Czaja, "aber wenn man vernünftig mit den Leuten umgeht, ihnen zuhört und versucht, ihre Probleme zu verstehen, dann bekommt man auch etwas zurück." So treffe er immer wieder Menschen auf der Straße, die er aus dem Beruf kennt und die ihm dann erzählen, dass es ihnen jetzt besser geht. Manchmal kenne man aber auch mehrere Generationen einer Familie, die alle schon mit Gerichtsvollziehern zu tun hatten. "Die Mittelschicht wird kleiner", sagt Czaja. Zwar gehen die Aufträge für Gerichtsvollzieher wegen der guten Wirtschaftslage etwas zurück. Durch Leiharbeit und Co. gebe es aber immer mehr Menschen, deren Geld einfach nicht dafür reicht, die Schulden vernünftig tilgen zu können.

Pizza im Büro

So ernst die meisten Aufträge auch sind, ab und an passiert auch in Czajas Berufsalltag etwas Skurriles. "Erst letztens ging es um einen Termin für die Vermögensauskunft eines Mannes, der die Rundfunkgebühr nicht bezahlt hat", sagt er. Fälle übrigens, die einen Großteil seiner Arbeit ausmachen, dabei könnten die meisten Schuldner die Miesen durchaus begleichen, sie wollen nur aus Prinzip nicht. "Der Mann kam ins Büro, hat der Kollegin eine Pizza auf den Tisch gelegt und gesagt, das koste jetzt 8,50", erzählt Czaja. Auf die Frage, was das jetzt soll, habe der Mann nur gemeint: "Jetzt sehen Sie mal, wie das ist, wenn man etwas nicht bestellt, aber dafür bezahlen muss."

Mehr zum Beruf des Gerichtsvollziehers und zur Ausbildung finden Sie hier: justiz.bayern.de/berufe-und-stellen/gerichtsvollzieher

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