Poetische Bildwelten

4.7.2014, 20:25 Uhr
Poetische Bildwelten

© NN

Es sieht aus, als sei ein riesiges Auto gegen einen Baum geprallt und liege nun seitlich hochgekippt auf der Straße. Oder als entlade sich ein toxisches Energiefeld mitten im Stadtraum. Tatsächlich zeigt das Bild „Fall Out“ den Blick auf eine spiegelnde Metallplatte, die durch eine Delle in der Mitte die Umgebung zum irrlichternden Farbenspiel verzerrt.

Den denkbar größten Kontrast zu diesem expressiven Gemälde im überwältigenden Großformat bildet das Werk „Die Konzertgängerinnen“. Durch eine Scheibe voller Regentropfen schimmern die schlanken Silhouetten zweier Schirmträgerinnen. Ein Bild, so zart und duftig, wie hingetupft, als sei’s von Monet.

Zunehmend imaginär

Was Jürgen Durner in den bei Atzenhofer ausgestellten Werken zeigt, hat mit der realen Welt, obwohl stets Vorlage für seine Malerei, nicht mehr viel zu tun. In seinem Fach – den Fensterbildern und Spiegelungen – hat der 1964 in Nürnberg geborene, in Berlin lebende Künstler inzwischen eine Souveränität erreicht, die ihn immer weiter wegführt vom Gegenständlichen. Die Nachtbilder, die Großstadtszenarien, die Blicke durch die gläsernen Fassaden urbaner Innenräume in die Welt draußen, sind weiterhin zentrale Motive in seinem Schaffen. Doch reduziert Durner die Wirklichkeit immer mehr auf Strukturen, Farben und Lichtreflexe. Das Ergebnis sind so spannungsvolle wie poetische Bilder, in denen es keine visuell erschließbaren Räume mehr gibt. Vielmehr werden die Gemälde zu Stimmungsträgern, die in eine imaginäre Welt entführen.

In jüngster Zeit hat Durner dabei auch die Glasscheibe selbst, die im Grunde unsichtbare Membran zwischen Innen und Außen, als Bildfläche entdeckt. Mit Folien beschichtet, von Eis- und Wasserschlieren wie mit einem Schleier überzogen, entfaltet sich in diesen Arbeiten ein vielschichtiges Licht- und Farbenspiel von betörender Dynamik.

Fliegende „Fetzen“

Schlicht „Fetzen“ hat Durner einen dieser neuen Bilderzyklen überschrieben, zu dem auch das Werk „Dark Room“ gehört. Reste von Plakatierungen kleben da auf der leinwandfüllenden Scheibe, durch die man ins Dunkel auf die düstere Hochhauswand gegenüber blickt. Eine eigentlich statische Szenerie, die durch die wie durch die Nacht fliegenden Plakatfetzen enorme Sogkraft entwickelt.

Durners Bilder scheinen in ihrer Weltverfremdung stets ein Geheimnis in sich zu tragen. Und sie sind auch dort, wo die Farben grell oder düster sind, von einem ganz eigenen Zauber, einer anziehenden Wärme und Poesie. Als „inbrünstigen, leidenschaftlichen Maler“ bezeichnet sich der Künstler selbst. Nicht um malerische Virtuosität geht es ihm, sondern darum, den Betrachter zu berühren. Mit seinen neuen Arbeiten gelingt ihm das mehr denn je auf nachhaltige Weise.

Galerie Atzenhofer, Maxplatz 46a; bis 3. August, Do.–So. 13–18 Uhr und nach Vereinbarung, Tel.: 01 52/ 33 86 80 66. Katalog 9 Euro.

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