Politik-Urgesteine Schmidt und Beckstein im NN-Talk

14.12.2018, 20:48 Uhr
Der NN-Talk im Museum Industriekultur mit Guenther Beckstein CSU und Renate Schmidt.

© André De Geare Der NN-Talk im Museum Industriekultur mit Guenther Beckstein CSU und Renate Schmidt.

Schon als sie die Bühne betreten, gibt es Applaus für sie aus den vollbesetzten Reihen im Museum. Und das Publikum wird nicht enttäuscht: Was sich zwischen den beiden entspinnt, im Gespräch mit den NN-Chefredakteuren Alexander Jungkunz und Michael Husarek, ist ein unterhaltsamer Abend mit klugen und direkten Worten. Von einem politischen Gegensatz-Paar, das sich freundlich zugetan ist. Beide feierten vor kurzem 75. Geburtstag. "Ambivalente Gefühle" habe es ihm gemacht, gibt Beckstein zu. "Jetzt geht es rasant auf die 80 zu." 

Die Zahl der Anrufer weiß er genau: 253 — er hat sich eine Liste gemacht, um sich ordentlich bedanken zu können. Über ihr Alter habe sie eigentlich nie nachgedacht, sagt Schmidt. Erst beim runden Geburtstag der ältesten Tochter. "Wenn die Tochter 50 wird, kannst du selber nicht mehr ganz jung sein." Ihre Gesamtlage fasst sie so zusammen: "Die Knie knirschen, der Kopf ist klar. Im Grunde fühle ich mich wunderbar."

Sorgen um aktuelles Bild ihrer Parteien

Rund 100 Jahre politische Erfahrung sind mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und bayerischen Innenminister und der ehemaligen Bundesfamilienministerin auf der Bühne versammelt. Das miserable Abschneiden ihrer beiden Parteien macht beiden Sorgen. Zu wenig streitbar sei die SPD heute, findet Schmidt.  "Granaten-Fehler" habe die Regierung gemacht, auch die Union, sagt Beckstein. Die Grenzöffnung 2015 im Alleingang, "das Theater um Maaßen".

Der politische Betrieb sei heute freilich anders als früher. Mit Radieschen auf Stimmenfang zu gehen, sei heute sicher nicht mehr möglich, meint Beckstein lachend. " 'Wir packen das Problem bei der Wurzel' — so ein Quatsch ist uns damals eingefallen." Die Hausbesuche ihrer politischen Anfänge sind auch Schmidt noch in Erinnerung. Nach ihrem Job als Programmiererin klingelte sie, ausgerüstet mit Material der Partei, an Haustüren ihres Stadtviertels Zerzabelshof. "Die Männer haben gefragt: Mögen’S reinkommen, auf ein Schnäpsle?" 

Mit Leidenschaft und in druckreifen Sätzen sprechen beide, jahrzehntelang auf Hochleistung getrimmt. Rund um die Uhr im Einsatz zu sein, war eine Selbstverständlichkeit — mit dem Preis, dass die Familien oft hinten anstehen mussten. Sowohl Beckstein als auch Schmidt haben drei Kinder. "In einer Woche war ich in 17 Städten und fand das auch noch toll", sagt Schmidt. "Heute frage ich mich: Wem hat das etwas gebracht?" 

Kann Politik auch Droge sein? "Natürlich!", gibt Beckstein zu. Bei wichtigen Entscheidungen gefragt zu sein, sei faszinierend. "Normal zu bleiben, darum geht es", sagt Schmidt. Noch zu wissen, wie viel ein Pfund Butter kostet. Und die Familie nicht mit dem Plenarsaal zu verwechseln: "Liebe Mutter, du befindest dich in deinem Wohnzimmer in Zerzabelshof. Nicht im deutschen Bundestag", rief ihr der Sohn einst ins Gedächtnis. 

"Ich war ein Opfer von Seehofer"

Das Publikum amüsiert sich mit diesen beiden Persönlichkeiten, die wechseln zwischen ernst und lustig, und sich die Bälle lieber zuspielen als sich gegeneinander auszuspielen. "Ich war ein Opfer von Seehofer", sagt Schmidt. "Ach, Sie auch?!", erwidert Beckstein und sorgt für schallendes Gelächter. Aber auch Fehler räumen beide ein. Schmidt zum Thema Pershing, Beckstein bei Bundeskanzler Willy Brandt. Ihn habe er als junger Mann "übel falsch eingeschätzt", seine Ostpolitik mit allen Mitteln bekämpft. "Heute sage ich: Willy Brandt war ein großartiger Patriot." 

Einen kräftigen Applaus gibt es für das Duo, das in „hart aber herzlich“–Manier zusammen auf der Bühne funktioniert. "Sehr unterhaltsam", findet Besucher Thomas Grieb. Bei Talkshows auf Bundesebene gäbe es oft nur Schläge unterhalb der Gürtellinie. "Das hier war gute Werbung für Demokratie und für ein anständiges Miteinander-Umgehen."

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