Polizist brach Schüler den Kiefer: Prozess neu aufgerollt

24.11.2016, 17:26 Uhr

Am Abend des 2. Oktober 2015 lag ein Schüler (16) blutend auf dem Gehsteig, niedergestreckt von einem Faustschlag. Da traf ihn ein  Tritt, mitten ins Gesicht.

Der Schüler musste zweimal aufwendig operiert werden, zwei Metallplatten wurden ihm eingesetzt, ein Eckzahn ist abgestorben. Seine Mutter sorge sich bis heute, wenn er das Haus verlässt, schilderte der Schüler bereits im Herbst im Zeugenstand vor dem Amtsgericht.

Unstrittig ist, dass der 34-jährige Polizist, ein USK-Mann, den Schüler trat und anfangs versuchte, seine Tat zu vertuschen. Der Schüler wurde, trotz seiner schweren Verletzung, wie ein Täter behandelt, er musste an jenem Tag mit aufs Polizeirevier, seine Personalien wurden festgestellt, der USK-Mann war immer dabei. Er hoffte "offenbar, dass seine Tat nicht rauskommt", vermutet Anwalt Benjamin Schmitt, er vertritt den Schüler als Nebenkläger. Im September, nur einige Tage vor der ersten Verhandlung, gingen 4000 Euro von dem Polizisten auf Schmitts Kanzleikonto ein, gedacht als Täter-Opfer-Ausgleich für den Schüler. Doch eine Entschuldigung will der Schüler, ein Punk mit blauen Haaren und Nasenring, nicht hören - er hält die späte Reue für Taktik.

Es drohen disziplinarrechtliche Folgen

Und nun sieht es so aus, als träfe die Vermutung des Schülers zu. Körperverletzung im Amt brachte dem Polizisten vor dem Amtsgericht eine Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren ein, doch die wahre Strafe für den Beamten sind freilich die drohenden disziplinarrechtlichen Folgen. Ab einem Jahr Freiheitsstrafe scheidet er aus dem Polizeidienst aus - seine berufliche Zukunft wird, sobald das strafrechtliche Urteil rechtskräftig wird, das Verwaltungsgericht Ansbach beschäftigen.

Doch der Polizist hält an seinem Beruf und seinem Beamtenstatus fest. Er hat Berufung gegen das Urteil des Nürnberger Amtsgericht eingelegt und schildert nun, in zweiter Instanz, dass auch zwei Kollegen von ihm bei dem Einsatz Gewalt anwendeten - dem Schüler mit der Faust ins Gesicht schlugen. Bernd Lippmann, der Anwalt des Polizisten, fordert nun das Gutachten eines Rechtsmediziners: Es soll geklärt werden, ob der Kieferbruch die Folge jener Faustschläge war, und der erst danach erfolgte Tritt des Angeklagten sozusagen nicht ursächlich war, für die schwere Verletzung. Der Prozess soll nun neu aufgerollt werden.

Damals hatte ein Kollege (24) des USK-Beamten  dessen Gewaltausbruch beobachtet und einen Vorgesetzten informiert. Nach seiner Meldung wurden dem USK-Mann umgehend "die Dienstgeschäfte verboten", wie dessen Verteidiger Bernd Lippmann sagt. Bei begrenzter Gehaltszahlung (1800 Euro monatlich) sitzt der angeklagte Polizist seither zu Hause.

Polizisten stünden unter hohem Druck

Sein Mandant bereue die Tat, sagt Lippmann. Aber er sagt auch, dass es ohne die Gewalt und die Respektlosigkeit, die Polizisten während ihrer Arbeit ständig begegnet, wohl nicht so weit gekommen wäre. Der USK-Beamte hätte die Grenze der ihm erlaubten Gewalt nicht überschritten, er säße nicht vor Gericht, er würde seine Existenz nicht verlieren. Das klingt zunächst, als rechnete er die Tat des Angeklagten gegen die Angriffe im Polizeialltag auf - doch vielmehr geht es ihm darum zu zeigen, wie hoch der Druck ist, den Polizisten aushalten müssen.

Als die Beamten an jenem Abend des 2. Oktober 2015 an die U-Bahnhaltestelle Frankenstraße gerufen wurden, ging es dort hoch her. Es hatte eine Auseinandersetzung zwischen Passanten und einer Gruppe Punks gegeben. Ein VAG-Busfahrer, der dazwischenging, wurde von einem Punk verprügelt. Die Schläger wurden später an der Tiroler Straße gesehen. Gemeinsam mit dem Busfahrer gingen Beamte dorthin, um den mutmaßlichen Täter und eventuelle Zeugen zu identifizieren.

Es wurde geschrien, die Punks kesselten den mutmaßlichen Täter in ihrer Gruppe ein, um den Polizisten den Zugang zu verwehren. Gut möglich, dass die Stimmung bedrohlich war. Doch vor allem kam es zu dem polizeilichen Gewaltexzess.