Prozess in Nürnberg: Facharzt begrapschte seine Azubis

17.12.2018, 18:01 Uhr

Demnächst wird der Arzt seinen 63. Geburtstag feiern, in wenigen Jahren wäre der dreifache Familienvater in die Rente eingetreten und hätte stolz auf ein erfülltes Berufsleben zurückblicken können – stattdessen erlebt er gerade seinen sozialen Absturz, landet finanziell jedoch weich.

Die drei erwachsenen Kinder und seine Ehefrau, eine Pädagogin, halten zu ihm, seinen Anteil an einer Gemeinschaftspraxis verkaufte er für 350.000 Euro, schildert er vor der Jugendkammer I des Landgerichts Nürnberg-Fürth. Das Stadthaus, in dem er mit seiner Gattin lebt, ist abbezahlt – dass seine Approbation nun ruht und ihm nach rechtskräftiger Verurteilung wohl entzogen wird, bringt seine wirtschaftliche Existenz nicht ins Wanken, sondern kränkt nur seinen Stolz.

Geständnis gegen Strafrabatt

In der Jugendkammer I des Landgerichts Nürnberg-Fürth, dort wird wegen der jugendlichen Geschädigten verhandelt, regen die Verteidiger Harald Straßner und Martin Gelbricht Rechtsgespräche nach dem Motto "Schnelles Geständnis gegen Strafrabatt" an. Dies verkürzt das Strafverfahren, der Arzt sitzt weit weniger Zeit als Angeklagter mitten in der Manege, und all die ekelhaften Vorwürfe, die Staatsanwalt Matthias Engelhardt im Gerichtssaal verliest, werden in der Beweisaufnahme weit weniger breitgetreten.

Bereits im Vorfeld schickte der Arzt Entschuldigungsbriefe an die beiden jungen Frauen, sie sind heute 17 und 20 Jahre alt. Und da seine Übergriffe unterschiedlich massiv waren, fiel auch seine tätige Reue unterschiedlich aus: Eine der Frauen erhielt 5000 Euro Schmerzensgeld, die andere bekam 2000 Euro.

Blase und Gebärmutter untersuchte er gleich mit

Seit November 2016 hatte der Mediziner seine Manieren vergessen und führte sich auf wie ein betrunkener Gast in einer schlecht geführten Bier-Pinte: Er klatschte einer Helferin auf den Po und küsste sie auf den Nacken. Als sie pflichtbewusst trotz Fieber zur Arbeit kam, horchte er sie mit einem Stethoskop ab und nutzte die Situation, um ihre Brust zu betatschen. Und ihre Blase und Gebärmutter untersuchte er gleich mit – einen medizinischen Grund gab’s nicht.

Die Übergriffe gegen die andere Arzthelferin gingen sogar unter deren Gürtellinie – und Ankläger Engelhardt ist sicher: Der Arzt wusste, dass die Helferinnen ihn nur gewähren ließen, weil sie von ihm als Chef abhängig waren. In Paragrafen gegossen bedeutet dies sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses, eine Frau war drei Mal betroffen, die andere vier Mal.

Richter: "Äußerst unschön"

Bis heute, so ist zu hören, leidet eine der Geschädigten so sehr unter den Übergriffen, dass sie weder als Patientin zu Ärzten geht, noch als Helferin arbeiten kann und möchte. Statt ihre Ausbildung zu beenden, heuerte sie bei einer Zeitarbeitsfirma an.

Als ihn eine der Helferin anzeigte, kündigte der Arzt beiden Frauen fristlos. "Äußerst unschön", kommentiert Richter Dieter Weidlich, war doch als Kündigungsgrund "falsche Verdächtigung" angegeben. Nun muss der Arzt erneut zahlen: Er wird zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, als Bewährungsauflage muss er einer Frau 5000 Euro, der anderen 1000 Euro überweisen. Auch an eine soziale Einrichtung muss er 5000 Euro bezahlen.