Ratlose Arbeitgeber: Facharbeitern droht Abschiebung

2.12.2018, 05:54 Uhr
Ratlose Arbeitgeber: Facharbeitern droht Abschiebung

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Das sei ein guter Facharbeiter, sagt Hans-Jörg Stöcker, Chef der Firma Stuck Stöcker in Gibitzenhof, wenn man ihn nach Samson Tesfaye fragt. "Total fleißig, pünktlich, ordentlich." Lauter deutsche Tugenden zählt Stöcker auf, wenn er über seinen 29-jährigen Gesellen aus Äthiopien spricht. "Ich wüsste keinen, der besser integriert wäre."

Der Firmenchef hat dem jungen Stuckateur ohne zu zögern einen Arbeitsvertrag gegeben. Bei anderen Geflüchteten in dem 100Mann-Betrieb habe es damit nie Probleme gegeben. Doch Samson, der die Theorieprüfung mit Note Drei bestand (Stöcker: "Das schaffen nur wenige Deutsche"), darf Arbeitskluft und Mundschutz nicht mehr anziehen.

Nach sieben Jahren raus aus Deutschland

Die Ausländerbehörde will ihn nach sieben Jahren in Deutschland abschieben. Weil die äthiopische Botschaft nach einem Regierungswechsel neuerdings Pässe ausstellt, hat sich Samson Tesfaye den vom Amt geforderten Ausweis besorgt und abgegeben. Die Konsequenz: Dank des Passes müsse er hier nicht mehr geduldet werden, er solle ausreisen oder er werde abgeschoben, teilte man ihm mit.

Ein harter Schlag für den 29-Jährigen, der vom Sprachkurs über die Berufsintegrationsklasse bis hin zur dreijährigen Lehre alles absolviert hat, was ihn weiterbringen konnte. Vom Lehrlingsgehalt habe er 311 Euro Miete für sein Bett in der Unterkunft bezahlt, erzählt er in gutem Deutsch. Das Zimmer bewohnt er neuerdings alleine. Sein äthiopischer Mitbewohner ist bereits abgeschoben worden.

Die ehemaligen Stuckateurskollegen trifft er regelmäßig. Die Firma sei wie seine Familie, sagt der junge Mann. Er wolle arbeiten, nicht dem Staat auf der Tasche liegen.

Fast wörtlich wiederholt das Soungalo Samake (30), ein Metallfacharbeiter, der 2014 aus Mali kam. Er wolle kein "Sozialgeld", sei gesund und könne etwas leisten. Auch die Personalchefin des großen Entsorgungsbetriebs am Hafen, wo Samake gelernt und einen Übernahmevertrag hat, sagt: "Wir wollen ihn. Wir brauchen ihn." Das habe sie der Ausländerbehörde mitgeteilt; mehr wolle sie nicht dazu sagen, um die Chancen ihres Wunschkandidaten nicht zu schmälern.

"Hier fehlen Fachkräfte und er bekommt einen Fußtritt."

"Es ist doch kurios. Hier fehlen Fachkräfte und er bekommt einen Fußtritt." Das sagt Samakes Anwalt Hermann Gimpel, der den Behörden unterstellt, "hinterhältige Spielchen" zu treiben. Sein Mandant sei gedrängt worden, seine Klage gegen den negativen Asylbescheid zurückzunehmen und einen Pass zu bringen. Dann werde alles gut. Doch als das geschah, habe man ihm die Duldung entzogen und die Abschiebung angedroht.

"Wer soll denn unsere Wohnungen bauen?" Auch Tesfayes Anwalt Rainer Frisch versteht das Vorgehen der Behörden nicht. Die 3+2-Regelung des Integrationsgesetzes, nach der abgelehnte Asylbewerber drei Jahre Lehre und zwei Jahre im Job absolvieren dürfen, werde in Bayern und speziell in Nürnberg leider nicht genutzt.

Das bedauert auch das vom Fachkräftemangel gebeutelte Handwerk. In ganz Mittelfranken sei kein 3+2-Fall bekannt, teilt die Kammer mit. Die Auslegung des Integrationsgesetzes durch die Ausländerbehörden habe "zu einer starken Verunsicherung unserer Betriebe geführt".

287 Lehrlinge mit Flucht-Hintergrund gibt es laut Kammer derzeit. Die IHK Mittelfranken meldet gleichzeitig 150 Betriebe, die noch 392 offene Lehrstellen zu bieten hätten. Es gebe lernwillige Geflüchtete und suchende Betriebe, "aber die kommen nie zusammen", sagt etwa Stefan Kastner, bei der IHK für Berufsbildung zuständig.

Ein Fall hat ihn besonders erschüttert. Ein Äthiopier, vor 16 Jahren eingereist, durfte eine Bäckerlehre nicht antreten. Jetzt könnte er als Beikoch in einem Restaurant anfangen. Doch das Ausländeramt sagt Nein. Auch er hat kürzlich seinen Pass abgegeben.

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