Reichsbürger-Prozess: Verteidiger kritisiert Polizei scharf

1.9.2017, 08:03 Uhr
Reichsbürger-Prozess: Verteidiger kritisiert Polizei scharf

© Gsänger

"Dafür habe ich keine Aussagegenehmigung." Dieser Satz ist an den vergangenen beiden Verhandlungstagen bestimmt ein Dutzend Mal gefallen. Zu oft, wenn es nach Verteidiger Michael Haizmann geht: "Die Polizei entscheidet hier, was wir erfahren und was nicht. Das ist doch eine rechtsstaatliche Sahelzone", entrüstete sich der Rechtsanwalt aus Regensburg. Für ihn und seine Nürnberger Kollegin Susanne Koller, die den 49 Jahre alten Wolfgang P. in dem Verfahren verteidigen, sind Informationen zur Taktik und Ausrüstung der Einsatzkräfte wichtig. Diese sollten am 19. Oktober 2016 Waffen im Haus des Angeklagten sicherstellen.

Vor allem Rechtsanwältin Koller machte bereits vor Prozessbeginn gegenüber Medienvertretern deutlich, dass sie den Einsatz des Spezialeinsatzkommandos (SEK) für "unnötig und dilettantisch durchgeführt" hält. Minimale Recherche hätte gereicht, um zu wissen, dass Wolfgang P. regelmäßig das Haus verließ, etwa um Selbstverteidigungskurse in seiner Kampfsport-Schule zu geben. "Man hätte ihn jederzeit unbewaffnet und im Jogginganzug in seinem Studio abpassen können", so die Verteidigerin am ersten Prozesstag.

Laut Anklage schoss Wolfgang P. aus einem Hinterhalt auf die Polizisten, die sein Haus stürmen wollten. Ein Beamter starb, weitere wurden verletzt. P. ist unter anderem wegen Mordes angeklagt. Während die beiden Strafverteidiger gestern über das zurückhaltende Aussageverhalten der Polizisten klagten, kritisierte Nebenklagevertreterin Monika Goller am Rande des Prozesses die Verteidigungstaktik von Koller und Haizmann: Den Einsatz so hinzustellen sei ein Schlag ins Gesicht von Opfern und Angehörigen. Die Verteidiger würden vermitteln, die Beamten seien selber schuld am tragischen Ausgang der Razzia, so die Rechtsanwältin. Sie vertritt die Eltern des getöteten Polizisten.

Aber auch den Angeklagten, der normalerweise bei Erscheinen des Gerichts demonstrativ nicht aufsteht, hielt es gestern nicht auf seinem Stuhl: Als ein SEK-Beamter berichtete, dass Wolfgang P. bei seiner Festnahme passiven Widerstand leistete, erhob sich der 49-Jährige und sagte laut: "Der Mann Wolfgang stellt den Antrag, dass der Zeuge vereidigt wird." Das Gericht lehnte den Antrag jedoch ab. 

Auch zwei zivile Zeugen sagten am Donnerstag aus: die Nachbarn von Wolfgang P. Die Eheleute hatten mitbekommen, dass Einsatzkräfte in das Haus des Angeklagten eindrangen und "Polizei, Polizei" riefen. Auch die Schüsse nahmen sie deutlich wahr. Sie konnten sich jedoch nicht mehr erinnern, ob vor dem Haus ein Fahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn stand. 

Der Prozess wird am 14. September fortgesetzt. Unter anderem sollen weitere Polizeibeamte befragt werden.