Rekord: 160.000 Besucher bei "Körperwelten"

27.1.2015, 06:00 Uhr
Rekord: 160.000 Besucher bei

© Foto: Fengler

Dass die präparierten menschlichen Leichname derart viele Interessierte anziehen, darüber ist Organisator Oliver Forster vom gleichnamigen Konzertbüro selbst verblüfft: Er hatte mit 100.000 Gästen kalkuliert. „Jetzt können wir sogar die 200.000er Marke knacken“, meint er, „das überrascht mich schon. Aber so einen Erfolg kann man nicht planen.“ Zumal die Eintrittspreise nicht unbedingt gerade günstig sind: Erwachsene zahlen 18 Euro, Kinder und Jugendliche 13 Euro, die Familienkarte kostet 45 Euro.

Forsters Firma hatte im vergangenen Jahr bereits zwei publikumsträchtige Wander-Ausstellungen in den Hallen an der Fürther Straße präsentiert: Zur Darstellung des Lebens des ägyptischen Pharaos „Tutanchamun“ kamen 120.000 Personen, das naturwissenschaftliche „Genie Leonardo da Vinci“ lockte immerhin 70.000 an.

Tipp: Vorverkauf nutzen

Doch die „Körperwelten“ ziehen seit Beginn deutlich stärker als ihre Vorgänger und legen auch in der Schlussphase noch einmal deutlich zu. Am Wochenende konnte die Tageskasse keine Tickets mehr ausgeben, weil die Eintrittskarten bereits im Vorverkauf weg waren. Und für die verbleibenden Freitage und Samstage hat man die Öffnungszeiten um zwei Stunden auf 21 Uhr verlängert, um den erwarteten Ansturm zu bewältigen. Die Organisatoren raten dringend, Karten im Vorverkauf zu erwerben, um nicht — wegen Überfüllung — vor verschlossenen Türen zu stehen.

Der Nervenkitzel, plastinierte Menschen und deren Organe ganz aus der Nähe zu sehen, hat in den vergangenen Jahren nicht abgenommen. Denn wo die thematisch verschiedenen „Körperwelten“ gezeigt werden, entwickeln sie einen Besucher-Sog.

Dabei betonen die Ausstellungsmacher, keine Gruselkabinette präsentieren zu wollen. Ihnen geht es — nach eigenen Angaben — um gesundheitliche Aufklärung und um ein Bewusstsein für den eigenen Organismus: Die Betrachter sollen den menschlichen Körper und seine Funktionen besser verstehen. Andererseits provoziert die Schau auch immer wieder Proteste, weil manche Plastinate — etwa ein Paar beim Sex — als anstößig oder sensationsheischend empfunden werden. Andere Gegner sehen grundsätzlich die Würde von Verstorbenen durch das Zurschaustellen ihrer Körper oder Einzelteile verletzt.

Dies bewerten Körperspender anders. Rund 15.000 Menschen sind in der Datei des Instituts für Plastination erfasst: Nach ihrem Tod werden sie zum Standort Guben an der polnischen Grenze gebracht und entweder für eine der weltweit laufenden Ausstellungen aufbereitet oder für wissenschaftliche Forschungen verwendet.

„So können angehende Ärzte noch an meinem Körper lernen“, sagt beispielsweise der 69-jährige Hans-Joachim Röske aus Nürnberg, der seit zehn Jahren einen Körperspender-Ausweis besitzt. Schließlich sei eine Sektion aussagekräftiger als ein medizinisches Fachbuch.

Der gelernte Masseur ist mit den verschiedenen Muskelgruppen sehr gut vertraut. Auch über körperliche Probleme kann er einiges mitteilen: Schließlich wurde Röske zwölfmal an den Bandscheiben operiert. Wie das Zusammenspiel von Muskeln und Skelett (nicht) funktioniert, hat er am eigenen Körper schmerzhaft erfahren.

Röske räumt ein, dass manche Ausstellungs-Plastinate, wie etwa jene der Sportler, „Show“ sind. Doch zu sehen, wie Muskelgruppen arbeiten, empfindet er als „faszinierend“.

Grabpflege ersparen

Auch Sieglinde Hillebrand hat sich entschlossen, ihren Körper nach dem Tod plastinieren zu lassen. Für die Küchenhilfe spielt ein anderer Grund eine wichtige Rolle: „Ich will meinen Angehörigen nicht zur Last fallen. Schließlich muss man ein Grab pflegen, das kostet viel Geld. Ich habe es selbst lange Zeit gemacht, es muss nicht sein.“ Ihre Kinder waren anfangs von ihrem Entschluss nicht begeistert, räumt die Nürnbergerin ein, aber jetzt seien sie damit einverstanden.

Für den früheren Krankenpfleger Dieter Engers war immer klar, dass er seinen Körper später einmal der medizinischen Forschung zur Verfügung stellt. Auch seine Antipathie gegen Friedhöfe und dem damit verbundenen Kult („reine Geldschneiderei“) spielte eine Rolle.

Der mittlerweile 71-Jährige hat sich daher schon vor längerer Zeit im Institut für Plastination informiert. „Ich habe mir die Bottiche mit den Fixierbädern für die Leichname angeschaut. Auch die Labors habe ich besichtigt und mich mit Herrn von Hagens unterhalten“, berichtet der gebürtige Saarländer, der seit 26 Jahren in Nürnberg lebt. Sein Eindruck: „Die Arbeit verläuft nach ethischen Standpunkten und ist ästhetisch, es wird nicht einfach an Leichen herumgeschnippelt.“

Mit der ZAC-Karte bekommen Zeitungsabonnenten 20 Prozent Rabatt, aber nur im Kartenvorverkauf — etwa in der NN-Geschäftsstelle, Mauthalle. An der Eintrittskasse der „Körperwelten“ gibt es jedoch keinen Nachlass.

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