Reportertausch: Führungen durch Nürnberg mit Leidenschaft

20.5.2018, 06:00 Uhr
Reportertausch: Führungen durch Nürnberg mit Leidenschaft

© Foto: Mareike Maack

Schon zum zweiten Mal läuft Claudia Radtke an diesem Tag den Weg zur Kaiserburg hinauf. "Das ist mein Fitnesstraining", sagt sie, bleibt stehen und entführt mich und die anderen Gäste, die ihr folgen, in Nürnbergs Historie. Seit zwölf Jahren ist Claudia Radtke Stadtführerin in Nürnberg. Seitdem, so sagt sie, habe sich ihr Job verändert. "Frontalunterricht" funktioniere nicht mehr: "Man kann den Leuten nicht nur Fakten erzählen, sie wollen auch unterhalten werden", so die gebürtige Paderbornerin. Das sei sogar schwieriger. "Man darf auch nicht schwafeln, die Leute wollen ja trotzdem Antworten auf ihre Fragen haben und müssen merken, dass ich mich auskenne."

Und das tut sie. Egal ob Frauenkirche, Schöner Brunnen, St. Sebald oder Kaiserburg — Claudia Radtkes Wissen über Nürnberg scheint unendlich zu sein. Ich höre zu und staune. Die Fakten und Daten hat die Westfälin gebüffelt. Als sie anfing, kannte sie Nürnberg, wie ich, noch gar nicht so gut und hat sich überschätzt: "Es waren einfach unglaublich viele Daten und Fakten", sagt sie. Über Nürnberg gibt es eben wahnsinnig viel zu erzählen. Die selbstständige Stadtführerin kann ihre Touren von allen Ecken der Stadt aus starten, egal ob über der Erde oder in den Felsengängen, in der Altstadt oder auf dem Johannisfriedhof. Die kürzeste Führung dauert 90 Minuten. Im sauerländischen Meschede mit seinen 30 000 Einwohnern, wo ich herkomme, wäre man wohl schneller fertig.

Im historischen Kostüm

Radtke führt sogar im historischen Kostüm durch die Stadt, "am liebsten im Patriziergewand", sagt sie. Dann schlüpft die Stadtführerin in eine Rolle, die sie selbst geschrieben, und in ein Kostüm, das sie selbst entworfen hat. Hilfe bekommt sie dabei vom Nürnberger Gästeführerverband, ihm gehören rund 130 weitere Stadtführer an.

Claudia Radtke führt täglich die unterschiedlichsten Gruppen durch die Stadt, vermittelt ihr Wissen auf Deutsch, Englisch, Indonesisch und Chinesisch. In welchen Dosen sie das tut, entscheidet sie individuell: "In meiner Ausbildung habe ich gelernt, auf die Menschen einzugehen." So könne sie gut einschätzen, was die Gruppen wollen. "Manchmal muss ich mich aber bremsen, ich rede gerne über die Stadt", sagt sie und lacht. Kommunikation war eben schon immer ihr Ding. Claudia Radtke ist studierte Dolmetscherin. Perfekte Voraussetzungen, wenn man Führungen in einer Stadt anbietet, die viel von Ausländern besucht wird. In Nürnberg sind am häufigsten Amerikaner zu Gast, in Meschede dagegen haben wir öfter mal Besuch von Holländern, die kommen gerne zum Wandern oder im Winter zum Skifahren.

Mehr zu bieten

Claudia Radtke zeigt ihre Stadt an diesem Tag einer Gruppe von Amerikanern, sie kommen aus Georgia, Kalifornien und Florida. Kennt man dort Nürnberg? "Wir in den USA haben die Stadt eher nicht auf der Liste", antwortet mir Briana Waterlou. Ihr Mann Ben sieht das anders: "Wer sich für Geschichte interessiert, hat den Namen Nürnberg wegen der Reichsparteitage schon mal gehört." Claudia Radtke kennt das. "Besonders Amerikaner kommen oft wegen der Geschichte des Dritten Reichs."

Die Stadtführerin sieht es als ihre Aufgabe an, Leuten, die, wie ich, Nürnberg nur mit Christkindlesmarkt, Bratwurst und Lebkuchen in Verbindung bringen, zu zeigen, dass die Stadt mehr zu bieten." Für sie ist Nürnberg eine besondere Stadt, eine, die in nahezu allen Zeiten wichtig war und auch heute noch ist. "Viele Patente kommen aus Nürnberg", berichtet sie. Das war auch mir neu.

Während ich mit Claudia Radtke unterwegs bin, spüre ich die Begeisterung, die sie für Nürnberg hat. Das war aber nicht immer so: "Als ich das erste Mal nach Nürnberg kam, fand ich es schrecklich", sagt sie. Heute sei das anders: "Nürnberg hat sich verändert, es ist offener geworden, die Leute freundlicher." Das kann ich bestätigen, ich habe hier viele nette, offene Menschen kennenlernen dürfen.

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