Rettung im Mittelmeer: Regensburger Organisation will helfen

17.12.2018, 12:58 Uhr
Das Rettungsschiff "Seefuchs" auf seiner letzten Fahrt im Mittelmeer: Monatelang konnte das Schiff den Hafen von Malta nicht verlassen. Auch die Behörden der Niederlande, unter deren Flagge die Hilfsorganisation "Sea-Eye" fuhr, machten Ärger. Doch jetzt fahren die Seenotretter mit einem neuen Schiff Richtung Libyen.

© Foto: Sea-Eye Das Rettungsschiff "Seefuchs" auf seiner letzten Fahrt im Mittelmeer: Monatelang konnte das Schiff den Hafen von Malta nicht verlassen. Auch die Behörden der Niederlande, unter deren Flagge die Hilfsorganisation "Sea-Eye" fuhr, machten Ärger. Doch jetzt fahren die Seenotretter mit einem neuen Schiff Richtung Libyen.

Vor wenigen Tagen wurde der Einsatz der "Aquarius" offiziell beendet. Das Schiff der Hilfsorganisationen "Ärzte ohne Grenzen" und "SOS Méditerranée" kann den Hafen von Marseille bereits seit zwei Monaten nicht mehr verlassen. Und genau ein halbes Jahr ist es schon her, dass die Regensburger Hilfsorganisation "Sea-Eye" ihren letzten Rettungseinsatz fahren konnte. Seitdem wird sie von den Behörden ausgebremst, ihr Schiff "Seefuchs" konnte den Hafen von Malta seit Monaten nicht verlassen. Doch nun soll ein ganz neuer Einsatz beginnen.

Die "Seefuchs" darf in Malta zwar jetzt endlich wieder ablegen — allerdings nur für die Rückführung nach Deutschland. Der umgebaute Fischkutter war aber ohnehin zu klein und zu alt für die dramatisch wachsenden Anforderungen auf dem Mittelmeer. Das weiß Kapitän Klaus Stadler von eigenen Fahrten mit langen Irrwegen, seit die italienische Regierung kaum noch Flüchtlinge an Land lässt. "Aber wir konnten inzwischen ein neues Schiff kaufen", freut sich der Nürnberger. Die "Sea-Eye 2" heißt offiziell "Professor Albrecht Penck", das ehemalige Forschungsschiff hat Deutschland bereits verlassen und befindet sich aktuell in spanischen Hoheitsgewässern. "An diesem Wochenende soll das Schiff im Suchgebiet vor Libyen eintreffen."

Rückläufige Spenden

Neben diesem Schiff konnte die Hilfsorganisation auch noch ein Segelboot für Beobachtungseinsätze kaufen. Die Finanzierung erfolgte aus Privat- und Vereinsmitteln. "Die Spenden sind rückläufig", berichtet Stadler. "Das liegt daran, dass wir von verschiedenen Politikern in der Öffentlichkeit kriminalisiert werden. Diese Kriminalisierung verunsichert auch das nautische Personal. Dennoch haben wir auch weiterhin Spenden bekommen — und zwar, um Menschen zu retten." Zum ersten Mal wird "Sea Eye" nun auch von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gefördert.

Die Innenminister von Italien, Österreich und auch Deutschland haben private Seenotretter beschuldigt, mit Schleppern zu kollaborieren. "Keiner dieser Vorwürfe ist je belegt worden", betont Stadler. Mit den Schleusern gebe es keine Kooperation, auch keine Kommunikation, noch nicht einmal Signale. "Immer wieder wird behauptet, dass Schlepper den Rettern Scheinwerfersignale geben, wenn ein Flüchtlingsboot losfährt. Das ist Unsinn", sagt Stadler.

Wegen der Erdkrümmung wäre so ein Signal nur wenige Kilometer weit zu sehen, die Einsatzzone der Rettungsschiffe beginnt aber erst dutzende Kilometer vor der Küste Libyens. Skeptiker reagieren auf solche Fakten gerne mit neuen Theorien — etwa, dass die Schleuser dann wohl mit Signalpistolen in die Luft schießen würden. "Es ist unglaublich", sagt Stadler kopfschüttelnd.

Todesrate verdoppelt

Während im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer insgesamt deutlich zurückgegangen ist, hat sich die Todesrate Stadler zufolge verdoppelt. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen in diesem Jahr bislang 2160 Menschen bei der Überquerung des Mittelmeers ums Leben. Stadler sieht die Hauptursache darin, dass privaten Hilfsorganisationen das Retten unmöglich gemacht wird, vor allem durch die neue rechtspopulistische Regierung in Italien.

Weil Schiffe mit Flüchtlingen an Bord oft keinen aufnehmenden Hafen mehr finden, schwindet offenbar auch die Hilfsbereitschaft auf Handelsschiffen. "Es gab ja dieses Containerschiff von Maersk, das drei Tage lang nicht anlanden konnte. Das spricht sich herum in der christlichen Seefahrt", sagt Stadler. "So ein Schiff kostet Zigtausende am Tag. Da ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass es verdeckte Spielregeln gibt, solchen Situationen aus dem Weg zu gehen." Schon 2017 war zeitweise zu beobachten, dass Schiffe ihre Route in Richtung Norden verlegten.

Mit Kurs auf Libyen

Das neue Rettungsschiff von "Sea-Eye" fährt jetzt mit Kurs auf Libyen ins Ungewisse. Aber immerhin erstmals unter deutscher Flagge. Was mehr Kosten und einen höheren bürokratischen Aufwand bedeutet — unter anderem muss mehr professionelles Personal an Bord sein und dazu Zertifikate vorweisen können. "Hoffentlich sind bis zum Wochenende alle nötigen Nachweise beisammen", sagt Stadler. Die Aussichten sind gut, denn der Reeder der "Aquarius" hilft mit professionellen Seeleuten aus. "Vielleicht bringt uns die deutsche Flagge dann etwas mehr Schutz und Sicherheit." Außerdem fahren diesmal auch Journalisten und Menschenrechtsbeobachter mit.

"Das neue Schiff ist ein bisschen größer, aber es hat auch wieder eine Beobachtungs-Mission." Es geht also primär darum, Menschen in Not zu finden, Erste Hilfe zu leisten — und dann größere Rettungsschiffe anzufordern. Nur wenn solche nicht rechtzeitig kommen, müssen Flüchtlinge notfalls an Bord genommen werden.

"Wir wissen nicht, was passiert, wenn so ein Fall eintritt — ob es dann wieder Schwierigkeiten geben wird, einen Hafen zu finden." Der neue Einsatz soll zunächst drei Wochen dauern. Und Stadler wird ihn sehr genau mitverfolgen. Denn der Nürnberger Kapitän würde nächstes Jahr gerne auch wieder an Bord gehen.

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