Rock im Park: Fenster auf, Musik rein

4.6.2012, 09:00 Uhr
Rock im Park: Fenster auf, Musik rein

© Timo Schickler

Freitagmittag, erst ein paar Stunden hauen die Musiker bei Rock im Park in Tasten und Saiten. Schon greift Helmut Weiß zum Hörer und ruft in der NN-Redaktion an. Allerdings nicht, um sich zu beschweren. „Ich wollte nur sagen, dass ich auf Südwind hoffe“, sagt der 75-Jährige. Nur dann bekommt er den „wunderbaren Bass vom Festival mit“. Vorsichtshalber reißt er alle Fenster auf.

Auch Bernd Reiner kann während der drei Tage Rock im Park die Windrichtung bestimmen, ohne den Finger in die Luft zu heben. „Hören Sie? Die Stille bedeutet Westwind“, sagt der 42-Jährige. Er hat am Freitagabend auf seinen Balkon geladen. Vom Festival ist nichts zu hören. „Aber genau weiß man es erst in der Nacht.“

Rock im Park: Fenster auf, Musik rein

© Timo Schickler

Vor zwei Jahren hat ihn der Lärm dazu veranlasst, einen Leserbrief zu schreiben. Oder vielmehr die spätere Aussage der Veranstalter, dass es keine Beschwerde gegeben habe. „Damals lief die Musik bis mitten in die Nacht und das auch noch von Sonntag auf Montag“, erinnert er sich. Gegen das Festival hat er nichts, „aber ab zwölf Uhr sollte Ruhe sein“. 1500 Meter Luftlinie liegen zwischen Reiner und 70000 Rock-Fans. Aber weder die Festival-Jünger noch die Musik-Götter sind am Freitag hörbar.

Immer noch Freitagabend, zwanzig Minuten später; Hörprobe im Osten. Deutlich ist der Soundcheck von Billy Talent zu vernehmen. Erst recht, als die Musiker aus Kanada zu spielen beginnen. Hier im Industriegebiet an der Regensburger Straße stört das freilich niemanden. Im Fast-Food-Restaurant beißt Marcus (33), ein Dresdner auf dem Weg nach Hause, in seinen Burger. „Ach, hier ist Rock im Park? Stark. Gibt’s noch Karten?“ Nach einem freundlichen „Nein“ macht eri sich enttäuscht auf den Weg nach Hause. „Ich würde übrigens gerne so nah bei einem Festival wohnen“, lässt er noch wissen und steigt in sein Auto. Auf dem klebt hinten ein AC/DC-Aufkleber. Rocker halten zusammen.

Und dieses Jahr halten sich die Rocker rund um das Zeppelinfeld auch zurück. Das zeigt ein Anruf beim Bürgertelefon. Es ist ein Uhr nachts. „Eine Beschwerde“, konstatiert der Herr am Telefon. Der Anruf kam aus der Gleiwitzer Straße. Für die Anwohner im Südosten liegt der Wind ungünstig. Bis zum Sonntag kommen noch sieben Beschwerden hinzu. Aber auch die Messgeräte der Stadt zeigen: Die Lärmgrenze wird eingehalten.

Samstagmittag in Zerzabelshof, Festivalentfernung 800 Meter: Andrea Schork lacht beim Thema Rock im Park. „Bisher geht es eigentlich. Metallica hätte ich gerne besser gehört.“ Ohnehin habe sich in den vergangenen Jahren viel getan, vor allem seit die Camper nicht mehr wild rund um den Valznerweiher verteilt sind. „Da war es schlimm mit dem Dreck und dem Lärm. Heute stören nur die parkenden Autos.“ Sie hat zwar Nachbarn, die speziell an diesem Wochenende verreisen. „Aber die haben kleine Kinder, das verstehe ich.“

Die Eltern von Christoph Raß sind dieses Wochenende ebenfalls nicht zu Hause. Das aber hat nichts mit Rock im Park zu tun, versichert der 23-jährige Student. Ihm und vor allem seinen fünf Kommilitonen kommt die Abwesenheit der Eltern aber gelegen. Für die drei Festivaltage haben sich die Freunde bei Christoph einquartiert. Knappe 400 Meter laufen sie von der Seumestraße bis zum Festival.

Vorher aber entspannen sie sich auf der Terrasse — bei Klängen aus der eigenen Musikanlage. Denn von den Bands, die gerade am Samstagnachmittag auf der Hauptbühne des Festivals ihr Bestes geben, ist fast nichts zu hören. „Ich verstehe, wenn sich einige Anwohner dadurch früher gestört gefühlt haben. Aber inzwischen hat es sich verbessert. Wie man hört“, sagt Kumpel Mike Jedamski. Christoph ergänzt dazu den Satz, den die meisten Anwohner zum Thema sagen: „Man hat sich daran gewöhnt.“

Nächtliche Disco-Töne

Nebenan wohnt Peter Bayer. Er ist Vorsitzender des Bürgerforums Dutzendteich. Er hat das Wochenende laut erlebt. Kein Wunder: Der 52-Jährige hat sich dieses Jahr ein Ticket für Rock im Park zugelegt. Die Toten Hosen sind seine Band. „Stellvertretend für alle Anwohner muss ich schon sagen, dass es am Anreisetag zu laut war“, sagt er. Da hat es aus Lautsprechern gewummert, „die größer waren als die erlaubten Kofferradios“.

Aber auch er meint, dass sich einiges verbessert hat. Er blickt aus dem Fenster. „Kein Müll.“ Das allerdings gilt nicht für die Campingplätze, die die Festival-Besucher montags verdreckt hinterlassen. „Das ist eine Belastung. Aber auch hier geht es, glaube ich, ein wenig voran“. Es ist zu hoffen, denn „Rock im Park ist wichtig für Nürnberg“, sagt Bayer.

Dem stimmt Bernd Reiner zu. Trotzdem findet er es schade, dass von Samstag auf Sonntag auch dieses Jahr — trotz günstigem Wind — in der Nacht Disco-Musik zu hören war. Leider auch nach zwei Uhr. „Das geht noch besser.“ Helmut Weiß hat nichts davon gehört. Er ergreift die Initiative. „Ich werde ein bisschen am Dutzendteich spazieren.“ Und lauschen.

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