Ruhrpott als Vorbild: Nürnberg will Kulturhauptstadt werden

22.1.2015, 05:57 Uhr
Nürnberg will sich für das Jahr 2025 als Europäische Kulturhauptstadt bewerben.

Nürnberg will sich für das Jahr 2025 als Europäische Kulturhauptstadt bewerben.

Der Wunsch und der Wille sind da, zumindest im Nürnberger Rathaus: Schon seit rund zwei Jahren arbeiten dort einige Mitarbeiter an Ideen, wie sich Nürnberg gemeinsam mit der Metropolregion als Kulturhauptstadt präsentieren könnte.

Denn die EU, die natürlich auch Fördermittel bereitstellt, hat schon bis 2033 festgelegt, welche Länder wann eine Stadt präsentieren dürfen. Bis 2019 muss die Bewerbung stehen, dann entscheiden Jurys in Berlin und danach in Brüssel, wer für ein Jahr zeigen darf, welches kulturelle Potenzial in ihm steckt. Jeweils zwei Länder treten an, 2025 wird der deutsche Bewerber von einer Stadt in Slowenien flankiert.

Suche nach dem roten Faden

Dresden, Stralsund und Kassel haben ihren Hut schon in den Ring geworfen, doch die Nürnberger Stadtspitze hat bislang gezögert, ihre Ambitionen zu laut herauszuposaunen. An ihr hängt aber alles, denn nur eine Stadt kann sich bewerben. Es steht ihr frei, die Region mit ins Boot zu nehmen. Armin Kroder hat als Landrat des Nürnberger Landes und als aktueller Ratsvorsitzender der Metropolregion schon Ende 2014 ausgeplaudert, dass man sich bewerben will, Erlangens Kulturreferent Dieter Rossmeissl bestätigte dies Anfang Januar. „Der Zeitpunkt war nicht ideal“, findet der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly.

Er möchte erst ein „Drehbuch“ haben, um die „Geschichte überzeugend erzählen zu können“, bekundete er jetzt. Dann könne man über Geld, Verteilung der Aufgaben und Ähnliches reden. Natürlich wolle man sich bewerben, aber die Zeit sei noch ausreichend, um ein gutes Konzept zu erarbeiten, dies externen Fachleuten zur Prüfung und im Herbst dem Kulturausschuss im Stadtrat vorzulegen. „Wir brauchen ein Motto, das Begeisterung auslöst. Solch ein Thema sehe ich bislang noch nicht“, sagt Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung, der dem Vorhaben insgesamt aber aufgeschlossen gegenübersteht.

Am Konzept wird sich also alles entscheiden, auch wenn politische Überlegungen in Berlin eine Rolle spielen. Das große Vorbild ist Essen, das 2010 mit dem gesamten Ruhrgebiet erfolgreich ins Rennen ging. Maly sieht da durchaus Parallelen zur Metropolregion, die sich von Hof über Wunsiedel und Neumarkt bis nach Dinkelsbühl erstreckt. Dass in diesem riesigen Gebiet keine gemeinsame Wirtschaftsgeschichte direkt ersichtlich ist, wie in der ehemaligen Bergbauregion Ruhr, betrachtet er nicht als Hindernis: „Wir wollen Themen besetzen, die heute wie 2025 die Menschen bewegen.“

Der Kulturbegriff wird somit ein weiter sein: Hyperdiversität (also die Aufsplitterung der Gesellschaft und des Lebens in viele Einzelbereiche), neue Wege der „Wirtschaft 4.0“, die historischen und aktuellen demografischen Wanderungsbewegungen und das Spannungsverhältnis zwischen Stadt und Land sind solche Themen.

„Das reicht von der Goldenen Straße, die die Region verband, bis zur religiösen Vielfalt damals und heute“, so Maly. „Im Vergleich zum Ruhrgebiet 2010 haben wir viel mehr kulturellen Bestand, mit dem wir punkten können“, findet der Oberbürgermeister und verweist auf historische Prunkstücke in Bamberg, Bayreuth, Coburg und natürlich Nürnberg. Unterm Strich will man also mit Vielfalt überzeugen — und beileibe nicht nur die Touristen: „Die Selbstvergewisserung der Region steht für uns im Vordergrund: Woher wir kommen und wohin wir gehen. Das ist auch ein Stück Stadtentwicklung.“

Die Städte und ebenso die ländlichen Regionen mit ins Boot zu holen, wird die Herausforderung. „Quellen des Glücks“ lautet ein Arbeitstitel, der die (neue) Begeisterung für die Natur genauso berücksichtigen soll wie die urbane Vielfalt. Nürnbergs Kulturreferentin Julia Lehner sieht da vor allem „die integrative Kraft der Kultur“, die über soziale Grenzen hinweg funktioniere, als Zugpferd. Die düsteren historischen Themen wie die NS-Vergangenheit sollen dabei nicht ausgespart werden.

Bislang glaubten die Macher in der Metropolregion, mit ihren Plänen für eine Bewerbung, „in Bayern alleine unterwegs zu sein“. Das ist nun anders. Auch Würzburg erwägt, den Hut in den Ring zu werfen. Und zwar ebenfalls zusammen mit anderen Städten und Gemeinden in Unterfranken.

„Dieses Vorgehen zeigt die Schwächen unserer Region: Sobald ein Franke etwas will, will der andere ihn übertreffen“, kommentiert Mittelfrankens Bezirkstagspräsident Richard Bartsch und meint: „Entweder wir schaffen es, uns gemeinsam zu bewerben, oder wir können uns das Porto sparen.“ Aus Coburger Sicht muss das nicht sein: „Es geht jetzt darum, wer das bessere Konzept hat“, sagt der dortige Kulturamtschef Klaus Anderlik, der aber auch konstatiert: „Der Druck steigt, gute Inhalte zu erarbeiten.“

Scheitern wäre kein Unglück

In Bamberg sieht man die neue Konkurrenz gelassen. Vielleicht, weil man dort mit der gescheiterten Bewerbung als Kulturhauptstadt für das Jahr 2010 gestählt ist. Und weiß: Auch wenn am Ende nicht der Titel steht, bringt eine Bewerbung viel. „Es entstehen neue Netzwerke, Themenfelder öffnen sich. Unser großes E.T.A-Hoffmann-Jahr, das wir 2008 gefeiert haben, war direktes Ergebnis der Bewerbung als Kulturhauptstadt“, sagt Rathaus-Sprecherin Ulrike Siebenhaar.

Die Erfahrungen aus der früheren Bewerbung will und kann die Stadt im gemeinsamen Vorgehen mit Nürnberg einbringen. „Die Leute, die in der Verwaltung damals federführend waren, sind noch da“, so Siebenhaar.

Rothenburg, das der Metropolregion beigetreten ist, zugleich aber über die „Romantische Straße“ und räumliche Nähe an Würzburg angebunden ist, sitzt zwischen den Stühlen: „Wir haben historisch viel zu bieten und bringen uns gerne ein“, sagt Oberbürgermeister Walter Hartl — „bei welcher Bewerbung auch immer“.

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