Radlerfalle: 22-Jähriger muss über drei Jahre in Haft

13.12.2017, 18:39 Uhr
Radlerfalle: 22-Jähriger muss über drei Jahre in Haft

© Foto: Müller

Als Sascha U. (22) das Seil spannte, hielt er dies für einen lustigen Spaß - er war sternhagelvoll und trabte seinen Freunden auf der Uferpromenade am Main-Donau-Kanal in Berching (Landkreis Neumarkt) hinterher. Doch wenige Stunden später, am Morgen des 20. Mai 2017, blieb ein Radfahrer (54) mit dem Hals in dem Seil  hängen. Er wollte Sonntagsbrötchen für seine Familie holen und wurde zum Zufallsopfer einer Tat, "die unsinniger kaum vorstellbar ist", wie die Jugendkammer I des Landgerichts Nürnberg-Fürth sieben Monate später feststellt.

Wer so etwas macht, müsse mit einer harten Strafe rechnen, betont der Vorsitzende Richter Dieter Weidlich in der Urteilsbegründung - und schickt an jene, die als selbsternannte Forsthüter Bäume auf Waldwege legen, gleich eine Warnung: Wer Montain-Bike-Fahrer ausheble, brauche nicht auf Bewährung zu hoffen.

Welche Folgen ein Sturz haben kann, zeigt sich hier: Der Sportler brach sich den sechsten Halswirbel, quetschte sich eine Bandscheibe. Er verletzte sich so sehr am Kehlkopf, dass er nicht um Hilfe schreien konnte, als er auf dem Asphalt lag. Wie hilflos muss er sich gefühlt haben? Wie höllisch waren seine Schmerzen? Und was hatte sich Sascha U. (Name geändert) nur gedacht. "Wenn ich ein Seil von A nach B spanne, ist doch klar, was dann passieren kann", sagt Nicole Obert - seine Verteidigerin. Nach einer Kunstpause ergänzt sie: "Jedem im Sitzungssaal ist das klar. Allerdings erst heute."

Verteidiger sehen kein versuchtes Tötungsdelikt

Sascha U. sitzt zerknirscht auf der Anklagebank. Es hatte in jener Nacht gut zwei Promille Alkohol im Blut, seine Tat war eine Schnapsidee - das steht fest, doch dass er sich dabei gar nichts dachte, glaubt Staatsanwalt Kim-Young Weißschädel nicht. Von einer Verkettung unglücklicher Umstände könne keine Rede sein - im Gegenteil, der Unfall sei die direkte Folge einer blödsinnigen Idee, der Radfahrer könnte heute querschnittsgelähmt, gar tot sein. Mit einem solchen Hindernis könne keiner rechnen, der Radler hatte keine Chance, der Angeklagte habe dessen Tod in Kauf genommen. Die Tat wertet der Ankläger als heimtückischen Mordversuch, er fordert fünf Jahre Freiheitsstrafe.

Die Verletzungen, darüber sind sich die Verteidiger Michael Spengler und Nicole Obert mit Ankläger Weißschädel einig, sind entsetzlich - doch ein versuchtes Tötungsdelikt sehen sie nicht. Sascha U. habe den Radfahrer vorher gar nicht gekannt, schon gar kein einleuchtendes Motiv gehabt, ihn zu töten. Er habe den Tod des Mannes weder gewollt, noch riskiert - allein aus der Gefährlichkeit der Handlung folge kein Tötungsvorsatz.

In der Urteilsbegründung folgen die Richter der Bewertung der Verteidigung, die verhängte Strafe fällt, gemessen daran, dass der Angeklagte aufgrund seines Alkoholisierung als vermindert schuldfähig gilt, hoch aus.

Auch ein damals 16-Jähriger wird verurteilt. Er erhält drei Wochen Dauerarrest - er hatte seinen Kumpel bei dessen Tat beobachtet und auch später nicht dafür gesorgt, dass das Seil gelöst wird. "Bekifft und betrunken" habe der Junge "um diese Uhrzeit auf der Straße sowieso nichts zu suchen", sagt Weidlich. Und an die Adresse der im Gerichtssaal sitzenden Eltern: "Hier gelte es bei der Erziehung noch ein paar Pflöcke zu setzen".