Seltener Blick in den Atombunker

30.12.2010, 09:18 Uhr

Angenehm warm ist es. Das fällt auf, nachdem man die steile Treppe heruntergestiegen ist. Bei einer Außentemperatur von minus zehn Grad, hat es hier den gesamten Winter konstante acht Grad. Ansonsten stellen sich beim Betreten der Schleuse, die aus zwei dicken grünen Stahltüren besteht, schnell Beklemmungsgefühle ein.

In Gedenken an den großen Luftangriff am 2. Januar 1945, bei dem fast die gesamte Altstadt zerstört wurde, führt der Förderverein Nürnberger Felsengänge jedes Jahr durch einen Bunker der Stadt. Der Wodanbunker hat dabei eine besondere Geschichte zu erzählen, die im Zweiten Weltkrieg beginnt. Damals diente die Anlage als Rettungsstelle mit Operationsräumen, um Verletzte auch bei Luftangriffen zu versorgen.

Nach dem Krieg richtete die Stadtmission ein Heim für Flüchtlingskinder ein und ausgebombte Ärzte verlegten ihre Praxen unter die Erde. „Damit war allerdings bald Schluss. 1947 drehte die Stadt zeitweise den Strom im Bunker ab, weil nicht klar war, wer für die Kosten aufkommt“, erklärt Rolf Arnold, Vorsitzender des Vereins.

Umbau zu Atombunker während des Kalten Krieges

Heute ist von der Ausstattung dieser Jahre nichts mehr zu sehen. Stattdessen reihen sich in den Betonfluren orangene Sitze und graue Feldbetten aneinander. Denn zu Zeiten des Kalten Krieges wurde die Anlage 1963 zu einem Atombunker umgebaut, der im Ernstfall bis zu 680 Menschen Unterschlupf gewähren sollte.

Ein beklemmendes Szenario, das Arnold da zeichnet: Bei einem Atomangriff auf Nürnberg hätten die Bürger nur wenige Minuten Zeit gehabt, um in den Bunker zu kommen. Weit weniger als ein Prozent der Bevölkerung hätte darin Platz gefunden. Es war vorgesehen, dass die Überlebenden in den engen Fluren und Räumen 16 Stunden sitzen und acht Stunden schlafen, um die vorhandenen Kapazitäten der Stühle und Betten voll auszunutzen. Lediglich 14 Toiletten standen bereit, auch der Speiseplan fiel mit drei Portionen Suppe täglich mager aus.

Traumata und Bunkerkoller drohten

Für Arnold ist kaum vorstellbar, welche Verhältnisse sich eingestellt hätten. Traumata und Bunkerkoller drohten. „Auch die Zukunftsaussichten waren mau: Das bisher gekannte Nürnberg hätte es nicht mehr gegeben“, sagt er.

Nach nur zwei Wochen wäre es wieder an die verstrahlte Oberfläche gegangen — nach dieser Zeit wäre der Vorrat an Diesel aufgebraucht gewesen: Die Motoren der hochtechnischen Anlagen für Stromerzeugung, Luftfilterung und Wasserförderung wären ausgefallen.

18 Bunker gibt es im Stadtgebiet. Viele wurden bereits umgebaut. Wer den Wodanbunker noch sehen will, sollte die angebotenen Führungen nutzen: „Es kann sein, dass dies die letzte Möglichkeit ist, einen vollausgerüsteten Nürnberger Atombunker zu sehen“, so Arnold, „wegen Geldsorgen wird geplant, die letzten Bunker in den nächsten Monaten aufzulösen.“

Bunkerführungen vom 2. bis 9. Januar, von 11 bis 17 Uhr, alle 30 Minuten. Eingang und Kartenverkauf am Bunkereingang, Wodanstraße 25. Eintritt: fünf Euro.