Sie kämpfen mit Wolle und Muster gegen Armut

13.9.2015, 13:56 Uhr
Ewa Hey hält das Ergebnis in die Höhe.

© Fotos: Michael Matejka Ewa Hey hält das Ergebnis in die Höhe.

Masche für Masche wächst das Stück an Maria Metzoldts fünf Stricknadeln. Die 58-Jährige arbeitet gerade an einer dunkelroten Mütze. Ohne auf ihre Finger zu sehen, strickt sie eine Reihe nach der anderen. Die Nadeln klappern. Doch das Geräusch geht im Gelächter der Frauen unter. Zu acht sitzen sie um einen ovalen Tisch, trinken erst Kaffee und essen Kuchen. Doch sobald die Teller leer sind, holen die Frauen Wolle und Nadeln hervor und werkeln, ganz nebenbei, für einen guten Zweck.

„Angefangen hat alles mit einer Frau“, erinnert sich Ladenbesitzerin Ewa Hey, „sie hat Babyschühchen vorbeigebracht und wollte sie spenden.“ Mit den Schuhen im Gepäck ging die 57-jährige Inhaberin des Strickladens „Wollwelt“ ins Südklinikum. Dort nahm man die kleinen Fußwärmer dankend an. Der Anfang war gemacht. Seitdem produziert und sammelt Ewa Hey alles für die jüngsten Patienten des Krankenhauses, egal, ob Socken, Mützen oder Babydecken.

„Jeder macht, was er kann“

Die acht Damen der Strickrunde sind dabei bei weitem nicht die Einzigen, die die Aktion unterstützen. „Ich bekomme zum Beispiel regelmäßig Pakete von einer Frau aus Bamberg“, sagt Hey. Immer wieder würden auch Fremde vorbeikommen und gehäkelte oder gestrickte Stücke abgeben. So- bald eine Kiste mit zehn Kilogramm zusammengekommen ist, bringt die Ladenbesitzerin das Paket auf den Weg. „Bestrickt“ wird die Neugeborenenstation des Südklinikums und die Kinderkrebsstation des Uniklinikums in Erlangen. Da es Einzelpersonen mitunter schwer haben, ihre Sachen direkt im Krankenhaus loszuwerden, sammelt Hey die Stücke in ihrem Laden. Jedes Jahr kommen so etwa 700 Mützen in den Kliniken an.

Zahlreiche Wollsöckchen und -mützchen für Neugeborene werden in ihrem Laden, der „Wollwelt“, jede Woche gestrickt.

Zahlreiche Wollsöckchen und -mützchen für Neugeborene werden in ihrem Laden, der „Wollwelt“, jede Woche gestrickt. © Fotos: Michael Matejka

Außerdem werden dieses Jahr auch Klamotten für bedürftige Kinder und Erwachsene produziert. Im Zuge des Tages der Handarbeit, am zweiten Samstag im Juni, haben die Frauen begonnen, größere Kleidungsstücke zu fertigen. Das diesjährige Motto lautete „Jeder macht, was er kann.“ Die freiwilligen Helfer wollen so Armut und Ausgrenzung entgegentreten und vor allem Kindern einen guten Start ins Leben ermöglichen. Die liebevoll gestalteten Stücke werden den Tafeln übergeben.

Die Strickstücke für die Kliniken müssen ein paar Vorgaben erfüllen. Mützen für Neugeborene und Frühchen brauchen einen Umfang von mindestens 36 Zentimetern. „Wir stricken meistens im Bündchenmuster“, sagt Ewa Hey, „das ist elastisch und passt auf jedes Köpfchen.“ Außerdem müssen die kleinen Ohrenwärmer mindestens 15 Zentimeter lang sein. Die Stücke für die krebskranken Kinder müssen aus reiner Baumwolle sein. Ansonsten ist der Fantasie der Strickenden keine Grenze gesetzt. Sowohl gestreifte als auch wild gemusterte Exemplare spitzen aus einem Karton.

Flüchtlinge sind Thema

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Dafür lässt die Strickrunde die Nadeln glühen.

Dafür lässt die Strickrunde die Nadeln glühen.

Wer denkt, die acht Damen säßen am Tisch und alles dreht sich bloß um die Handarbeit, liegt weit daneben. Die Themen sind vielfältig. Auch die aktuelle Flüchtlingssituation kommt zur Sprache. „Ich stricke für ein Flüchtlingsheim“, sagt Maria Metzoldt, „man braucht keine Hemmungen zu haben, hingehen und fragen ob sie die Sachen brauchen können.“

Die Frauen am Tisch eint neben ihrer Leidenschaft für Handarbeit vor allem eines: Sie kommen gerne zu Ewa Hey in den Laden. „Ich schätze vor allem ihre fachliche Kompetenz“, sagt Jule Nebel. „Wenn man mal einen Fehler macht, dann bügelt die Ewa das aus“, ergänzt eine andere Frau. Vor etwa zehn Jahren hat Ewa Hey ihr Hobby zum Beruf gemacht und das Geschäft in der Wodanstraße eröffnet. Neben Wolle und Nadeln verkauft sie auch Schmuck, Perlen, selbst gemachte Taschen und Mützen und Bücher mit Strickmustern. Gelernt hat sie das Stricken, indem sie ihrer Großmutter dabei zugesehen hat.

Einmal in der Woche kommen die Frauen hier zusammen und gehen dem gemeinsamen Hobby nach. Dabei entspannen sie und lassen den Alltag hinter sich. „Es ist immer wieder schön, sich hier zu treffen“, sagt die 63-jährige Jule Nebel. Während die Strickerinnen erzählen, weshalb sie kommen, klappern die Nadeln und die Mützen und Schals wachsen unbeirrt weiter. Eben ganz nebenbei und für den guten Zweck.

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