Social-Media-Sucht: Jugendliche finden nachts kaum Schlaf

11.3.2018, 15:09 Uhr
Ein Viertel der Teeanger verbringt laut einer neuen Studie vier oder mehr Stunden am Tag in sozialen Netzwerken. Ebenfalls ein Viertel bekommt durch Chatten, Posten und Liken zu wenig Schlaf.

© Foto: colourbox.de Ein Viertel der Teeanger verbringt laut einer neuen Studie vier oder mehr Stunden am Tag in sozialen Netzwerken. Ebenfalls ein Viertel bekommt durch Chatten, Posten und Liken zu wenig Schlaf.

Surr, piep, pling – ein Laut vom Handy und mit der Nachtruhe mancher Teenager in Deutschland ist es vorbei. Ganz dringend müssen sie dann noch nach Mitternacht eine Antwort tippen und ein Foto hochladen. Nach einer repräsentativen Studie der Krankenkasse DAK ist das kein Alptraum besorgter Helikopter-Eltern. Rund 100.000 Kinder und Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren haben sich nach der Untersuchung bei ihren Ausflügen in die Online-Welt nicht mehr im Griff: Sie gelten als süchtig nach sozialen Medien.

Nicht nur ein Fluch

Zum ersten Mal hätten Wissenschaftler für Deutschland einen genauen Blick auf die Wirkung von Messenger-Diensten wie WhatsApp und sozialen Netzwerkseiten wie Facebook geworfen, berichtet Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters in Hamburg. "Soziale Netzwerke sind nicht allein Teufelszeug", stellt der Forscher klar. Sie seien nützlich für die Identitätsentwicklung junger Menschen, wichtig auch für das Erproben von Kommunikation und Beziehungsgestaltung. Doch wie bei anderen Verlockungen im Internet gibt es Grenzen.

"Problematisch wird es, wenn die Balance zwischen der realen und digitalen Welt aus den Fugen gerät", sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm. Was bei der Befragung von 1001 Jungen und Mädchen herauskam, macht ihm ein wenig Angst: Ein Viertel der Teeanger verbringt vier oder mehr Stunden am Tag in sozialen Netzwerken. Ebenfalls ein Viertel bekommt durch Chatten, Posten und Liken zu wenig Schlaf und riskiert obendrein Streit mit den Eltern.

Depressive Neigungen

2,6 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen konnten ihre Lust auf soziale Medien nicht mehr allein steuern. Sie litten ohne ihr Handy unter Entzugserscheinungen. Ein Drittel dieser Abhängigen zeigte auch depressive Neigungen – ein Phänomen, das auch von anderen Internet-Süchten bekannt ist.

"Ich finde 2,6 Prozent nicht viel und auch nicht dramatisch hoch", sagt Dorothée Hefner, Kommunikationswissenschaftlerin an der Hochschule Hannover und Autorin des Buchs "Permanent Online, Permanent Connected". Aber für diese 2,6 Prozent sei es natürlich dramatisch. "Und über diese Zahl hinaus gibt es sicher Jugendliche, denen es nicht gut geht mit ihrer Nutzung von sozialen Medien." Und auch für all jene, denen es nicht schlecht mit Chatten und Posten gehe, bleibe die Frage: Wie gehe ich gut mit sozialen Medien um?

Eltern müssen Regeln aufstellen

Für Marlene Mortler (CSU), Drogenbeauftragte der Bundesregierung, sind Regeln ganz wichtig. "Ich verdamme soziale Medien nicht", betont auch sie. "Aber wir dürfen nicht nur über die Chancen, sondern müssen auch über Risiken reden." Deshalb gelte es für Eltern und auch für Schulen, bei der Medienerziehung Grundsätze aufzustellen. Einer davon lautet für sie: "Medien dürfen mich nicht beherrschen, ich beherrsche sie." Doch was Mortler im Alltag erlebt, fasst sie so zusammen: "Eltern sind in hohem Maße orientierungslos." Was nicht nur daran liegt, dass ihre Kinder ihnen bei der neuen Technik um eine Nasenlänge voraus sind. Soziale Medien locken auch Erwachsene – sie haben wohl nur weniger Zeit dafür. Ab 30, so Forscher Thomasius, gehe der Suchtfaktor bei sozialen Medien zurück. "Aber die ganze Gesellschaft muss sich fragen: Wie legen wir Normen für die Nutzung fest?", sagt Forscherin Hefner. Bei Eltern, hat sie beobachtet, gebe es hohen Beratungsbedarf bei der Erziehung. Was darf ich einschränken und wie geht das?

Thema beim Elternabend

"Viele Eltern reden auch untereinander nicht darüber", sagt Hefner. "Warum besprechen sie nicht beim Elternabend, dass alle Handys zu Hause um 21 Uhr eingesammelt werden? Solche ganz pragmatischen Sachen." Am sinnvollsten sei es, gemeinsam mit den Kindern Regeln festzulegen und auf die Einhaltung zu pochen.

Doch es geht nicht nur um Verbote. In Hefners Untersuchungen spielten vertrauensvolle Beziehungen in einer Familie eine große Rolle. "Je stärker die Bindungssicherheit der Kinder an ihre Eltern ist, desto weniger anfällig sind sie für eine problematische Nutzung ihrer Handys." Was heißt problematisch? In der Studie zeigten bereits fünf Prozent der befragten Teenager kein Interesse mehr an Hobbys und anderen Beschäftigungen, weil sie lieber online waren. Hefner fände es vernünftig, wenn das Handy bei niemandem nachts neben dem Bett liegt.

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