Söder über Maly-Abschied: "Bei mir gibt es auch Wehmut"

23.3.2019, 15:46 Uhr
Haben sich über die Jahre immer weiter angenähert: Nürnbergs OB Ulrich Maly (r.) und Ministerpräsident Markus Söder. Viele Projekte haben sie gemeinsam angepackt, wie die geplante Sanierung des Volksbads.

© Foto: Eduard Weigert Haben sich über die Jahre immer weiter angenähert: Nürnbergs OB Ulrich Maly (r.) und Ministerpräsident Markus Söder. Viele Projekte haben sie gemeinsam angepackt, wie die geplante Sanierung des Volksbads.

NN: Herr Söder, wie groß war Ihre Freude über den bevorstehenden Politik-Abschied von Ulrich Maly?

Markus Söder: Das war zunächst einmal eine große Überraschung. Und ich sage ganz ehrlich: Unabhängig davon, dass ich CSU-Parteivorsitzender und Ministerpräsident bin, hatte ich auch ein bisschen Wehmut. Denn ich habe in den letzten Jahren mit Uli Maly sehr gut zusammengearbeitet.

Es gibt nicht viele, die so verlässlich sind und mit denen man trotz unterschiedlicher politischer Grundeinstellungen so viel Gleichklang in der Sache entwickeln kann. Uns beiden ging es immer um Nürnberg. Vieles von dem, was ich angestoßen habe, war nur möglich, weil es ihn auf der anderen Seite gab. Ob bei der Universität, dem Volksbad oder dem Wöhrder See: Immer war jemand auf der anderen Seite, der das gleiche Verständnis hatte. Und so konnten wir gemeinsam für Nürnberg vieles auf den Weg bringen.

Ulrich Maly sagt im NN-Interview, sein Abgang zum jetzigen Zeitpunkt sei für die SPD besser, als noch sechs Jahre zu warten und die CSU in aller Ruhe ihren Bewerber für die Kommunalwahl 2026 aufbauen zu lassen. Hat er recht mit dieser Einschätzung?

Söder: Für jeden Politiker, der erfolgreich ist, kommt irgendwann die Frage, ob er den richtigen Zeitpunkt findet, aufzuhören. Den hat er für sich jetzt entschieden. Und dafür habe ich auch Verständnis und Respekt. Ich
selber sage ja auch: Zehn Jahre Amtszeit sind genug.

Ich bin davon überzeugt, dass man nach einer bestimmten Zeit als Politiker entweder weniger Innovationen hat oder das Zuhören schwieriger wird. Weil man leicht Leute um sich herum sammelt, die einem ohnehin recht geben. Und in dieser medial verdichteten Zeit ist es auch schwer, bei dem täglichen Takt von Twitter und anderen sozialen Medien über eine so lange Zeit immer wieder neue Ideen zu haben.

Ich glaube, dass Uli Maly einfach noch was Neues machen wollte. Und er ist in einem Alter, in dem man das noch kann. Er hat den Zeitpunkt für den richtigen Abgang genau getimt - und nicht verpasst. Das kann nicht jeder Politiker von sich sagen.

Die SPD hat sich für Thorsten Brehm als Nachfolgekandidaten entschieden - kennen Sie den Mann?

Söder: Kaum. Ich hatte bislang keinen Kontakt. Ein bisschen überrascht bin ich über die Hektik, die die SPD an den Tag legt. Denn jetzt steht erst einmal die Europawahl am 26. Mai an. Und alle demokratischen Parteien sollten dafür kämpfen, dass wir in Europa Nationalisten und Populisten zurückdrängen. Deshalb hat auch für uns als CSU die Europawahl in den kommenden zwei Monaten absolute Priorität.

Im Übrigen gilt es zu bedenken, dass gerade bei Kommunalwahlen die eigentliche Mobilisierung erst am Schluss - also zu Beginn des nächsten Jahres - stattfindet. Ich hätte zudem erwartet, dass die SPD einen Basis-Prozess anstrebt bei der Suche nach einem Kandidaten oder einer Kandidatin. Überraschend ist, dass es jetzt offenbar ruck, zuck von oben herab entschieden worden ist. Aber das muss die SPD selbst wissen.

Gewundert hat uns auch, dass Christian Vogel nicht als OB-Kandidat antritt. Er hat sich in den letzten Jahren als sachkundiger und kompetenter Bürgermeister entwickelt. Völlig unverständlich ist aber, dass Frauen bei der Nürnberger SPD offenbar gar keine Rolle spielen. Die SPD stellt ein männliches Spitzenduo auf. Also: Die SPD entscheidet ohne Basis und ohne Frau.

Bei der CSU ist das dann anders?

Söder: Ja! Wir werden jetzt Folgendes machen: Erst die Europawahl abwarten. Parallel dazu starten wir einen internen Prozess, bei dem wir genau überlegen: Was braucht Nürnberg zunächst inhaltlich? Denn es findet ja jetzt eine grundlegende Weichenstellung statt, wenn der Amtsinhaber nach so langer Zeit aufhört. Die Uhren in Nürnberg werden auf null gestellt.

Zudem überlegen wir genau, was die Festlegung auf Thorsten Brehm bedeutet. Unser Eindruck von außen ist, dass er ein engagierter junger Mann ist. Aber mit ihm geht der politische Weg klar nach links. Maly war ein Mann der Mitte. Seine Stärke war, dass er im bürgerlichen Lager gepunktet hat. Ich glaube auch, dass in Nürnberg Wahlen nicht mehr nur links entschieden werden. Wir stellen uns also auf einen Linkskurs der SPD ein und werden dazu eine klare Alternative bieten. Das gilt für das Programm, den OB-Kandidaten und die Stadtratsliste. Und da nehmen wir uns die Zeit.

Zusammen mit dem Bezirksvorsitzenden Michael Frieser und dem Fraktionsvorsitzenden Marcus König und einigen anderen werden wir nachdenken. Wir wollen die Chance, die sich uns jetzt bietet, so gut wie möglich nutzen. Nach 18 Jahren gegen einen nahezu unschlagbaren Uli Maly haben wir jetzt alle Möglichkeiten. Diese sollten wir nicht leichtfertig vertun.

Was erwarten Sie künftig von der SPD für einen Politikstil?

Söder: Mich erinnern die ersten Einlassungen an die alten Zeiten mit OB Peter Schönlein und SPD-Fraktionschef Gebhard Schönfelder. Ich habe die Sorge, dass wir in diese Zeit zurückfallen. Da war immer alles konfrontativ. Jammern dort und Fordern hier. Zum Nutzen der Bürger war es nicht.

Angst scheint Ihnen der Name Brehm ja nicht einzujagen. Wen schickt die CSU ins Rennen?

Söder: In Nürnberg sind wir noch auf keine Person festgelegt. Es gibt keine Erbhöfe. Aber es gibt viele gute Köpfe. Michael Frieser und Marcus König habe ich bereits erwähnt. Dazu kommen Persönlichkeiten wie Wirtschaftsreferent Michael Fraas, Sebastian Brehm, Kerstin Böhm oder Catrin Seel. Und es gäbe noch einige andere interessante Optionen.

Mischen Sie sich jetzt in den Wahlkampf ein?

Söder: Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass wir es mit einem Stellvertreter-Wahlkampf Maly-Mann gegen Söder-Schützling zu tun haben. Es treten bei uns Persönlichkeiten an, die für sich wirken und Statur haben. Mir ist wichtig, dass wir nüchtern überlegen, was die beste Lösung für Nürnberg ist. Am Ende wird entschieden, in welcher Formation wir die besten Chancen haben. Dabei ist auch klar: Wir unterschätzen die SPD nicht. Sie ist in Nürnberg immer stark, hat eine breite Basis und hohe Finanzmittel. Als Ministerpräsident werde ich am Ende selbstverständlich mit jedem neuen OB gut zusammenarbeiten – wenn das gewünscht ist.

Haben Sie bereits Inhalte definiert, mit denen die CSU in den Kommunalwahlkampf ziehen wird?

Söder: Für das Thema Verkehr werden wir vom Freistaat aus gute Ideen entwickeln für Nürnberg. Nicht so wie die Jusos, die einfach nur fordern, dass der Freistaat das Defizit beim Verkehrsbetrieb übernimmt. Das ist Jammern wie unter Schönlein, aber keine Zukunftsidee. Eine neue Vision für den ÖPNV ist gefragt. Einfach Straßen zu sperren, zählt jedenfalls nicht dazu.

Sie haben den Satz gesagt: 'Frauen haben in Nürnberg Angst, nach 20 Uhr mit der U-Bahn zu fahren.' Wird es jetzt einen Law-and-Order-Wahlkampf geben?

Söder: Eine Verengung darauf wird es nicht geben. Aber dass wir Marktführer für die innere Sicherheit sind, ist doch wohl klar. Deswegen verstärken wir auch die Polizei in Nürnberg – bald wird auch die Reiterstaffel kommen. Wir haben die Lage bereits am Hauptbahnhof deutlich verbessert.

Was ist mit dem Thema Umwelt?

Söder: Sie werden erleben, dass wir in diesem Jahr - Stichwort Volksbegehren - einen großen ökologischen Sprung machen werden. Es geht dabei um Lebensqualität, Klima- und Artenschutz in der Stadt.

Hat die SPD mit ihrem Kandidaten nicht einen zeitlichen Vorsprung, auch was die Bekanntheit betrifft, während die CSU bis nach der Europawahl warten will?

Söder: Wir sind nicht unter Zeitdruck. Bei allen Wahlen kommt es immer auf den Schlussspurt an. Egal wen wir benennen werden, er oder sie hat sicher den Bekanntheitsgrad von Thorsten Brehm. Außerdem: Wir haben jetzt ja die Gelegenheit, die Reaktionen der Bevölkerung auf die Entscheidung der SPD zu beobachten. Wir warten noch ab, wie sich das so entwickelt. Das ist keine schlechte Ausgangssituation. Wir werden uns - mit etwas Abstand zur Europawahl – entscheiden. Die Zeit arbeitet eher für uns.

Sie haben bisher die Grünen außen vor gelassen. Es ist ja durchaus denkbar, dass eine Kandidatin oder ein Kandidat dieser Partei in die Stichwahl kommt und nicht der SPD-Kandidat.

Söder: Auch denkbar. Wenn wir das auf Landes- und Bundesebene sehen, sind für uns die Grünen die Hauptherausforderer. Deshalb werden wir uns mit den Grünen intensiv beschäftigen. Durch eine deutliche Verstärkung unseres städtisch-ökologischen Profils. Und zwar nicht nur optisch, sondern grundlegend. Parallel dazu werden wir die Widersprüche bei den Grünen herausstellen.

Die Grünen in Nürnberg spielen eine Rolle. Daher nehmen wir sie ernst. Umso spannender macht es den Wettbewerb.

Haben Sie jemals erwogen, sich für die CSU in Nürnberg als OB-Kandidat aufstellen zu lassen?

Söder: Nürnberg ist meine Heimatstadt und für mich die schönste Stadt der Welt. Aber mein Weg ist ein anderer. Indes: Oberbürgermeister werden zu wollen, ist eine große Herausforderung.

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