Sogar für den Turnunterricht gab es Röcke

29.3.2017, 16:00 Uhr
Die Abschlussklasse von 1957 der Realschule im „Institut der Englischen Fräulein“ an der Bärenschanzstraße.

© privat Die Abschlussklasse von 1957 der Realschule im „Institut der Englischen Fräulein“ an der Bärenschanzstraße.

"Bei uns war der Schulbesuch bei den ,Englischen‘ quasi eine Familientradition", sagt Ursula Neukam. Schon ihre Mutter, Jahrgang 1906, war dort Schülerin. Damals war das "Institut der Englischen Fräulein" – 1854 gegründet – noch in der Tafelhofstraße unweit des Hauptbahnhofs untergebracht. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Straße ausgebombt, doch bereits 1946 konnten die "Englischen" den Schulbetrieb in einer ehemaligen Kaserne an der Bärenschanzstraße wieder aufnehmen.

"Ich wurde 1947 eingeschult, besuchte dann vier Jahre die Grundschule, dann drei Jahre das Gymnasium und danach ging ich noch drei Jahre auf die Realschule", sagt Neukam. Der Besuch des von Nonnen geführten Instituts war unmittelbar nach den Kriegsjahren etwas Besonderes: "Es konnte sich damals nicht jeder leisten, sein Kind auf eine Privatschule zu schicken."

Sogar für den Turnunterricht gab es Röcke

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Neukams Vater fand, nachdem er aus dem Krieg gekommen war, aber schnell eine Anstellung bei der Stadt, die Mutter arbeitete als Schneiderin: Das Schul- und Büchergeld für die kleine Ursula war also gesichert. "Meinem Vater war es wichtig, dass ich zu den ,Englischen‘ ging, er legte Wert auf eine gute Schulbildung", sagt die 75-jährige Neukam. Das Schulgeld – 20 Mark im Monat – bekamen die Schülerinnen in bar von daheim mit.

Vom Küchenfenster zu Hause an der Fürther Straße konnte Ursula Neukam, die vor ihrer Heirat Eschl hieß, die Volksschule sehen, die die anderen Kinder im Viertel besuchten. "Von denen mochte mich keiner, ich war immer die Besondere von der Privatschule", erinnert sie sich. "Da wurde mir schon nachgesagt, dass ich meine Nase hochtragen würde."

Unterrichtet wurden die Mädchen in dem katholischen Institut etwa in Hauswirtschaft, Turnen, Chemie und Physik, Buchführung, Steno und Maschinenschreiben. "Dazu hatten wir noch zwei Fremdsprachen: Englisch und Französisch."

Ihre umfassende Schulbildung habe ihr sehr geholfen, sagt Neukam. Zum Beispiel konnte sie sich dank des Sprachunterrichts ganz passabel mit ihren amerikanischen Nachbarn unterhalten. Überhaupt ging die 75-Jährige gern zur Schule – auch wenn die Nonnen manchmal streng waren. "Montags musste man immer berichten, ob man am Sonntag in der Kirche war." Lippenstift und Hosen seien verboten gewesen, und sogar im Sportunterricht der Grundschule mussten die Mädchen über ihren kurzen Hosen Röcke tragen.

Das Schulgebäude an der Bärenschanzstraße: Aus Platznot musste der Unterricht zeitweise in Schichten abgehalten werden.

Das Schulgebäude an der Bärenschanzstraße: Aus Platznot musste der Unterricht zeitweise in Schichten abgehalten werden. © Maria-Ward-Schule Nürnberg

Die Nonnen, die die meisten Fächer unterrichteten, ließen sich mit "Mater", lateinisch für "Mutter", anreden. "Bei uns herrschte schon eine gewisse Strenge – das war noch eine ganz andere Zeit damals." Dennoch hatten die "Englischen" so guten Zulauf, dass das Schulgebäude an der Bärenschanzstraße schnell zu klein wurde und der Unterricht in Schichten abgehalten werden musste.

Über die Erlebnisse aus dieser Zeit plaudern, aber auch hören, wie es den ehemaligen Klassenkameradinnen nach der Schulzeit ergangen ist – das soll beim 60-jährigen Abschlusstreffen am 8. April Thema sein, sagt Neukam. Alle zwei Jahre organisiert sie so eine Zusammenkunft mit Kaffeetrinken und Austausch im Heilig-Geist-Spital.

Einige Mitschülerinnen seien leider schon verstorben; manche Weggezogenen reisten sogar bis aus Kempten oder Stuttgart an, sagt Ursula Neukam. "Es wäre schön, wenn wir noch ein paar, die wir aus den Augen verloren haben, finden würden für unser Treffen."

Die 75-Jährige hofft, dass die eine oder andere vielleicht durch den NZ-Artikel darauf aufmerksam wird. "Einige Schulkameradinnen habe ich auch schon durch Recherchen ausfindig gemacht, aber weil ich meist nur den Mädchennamen habe, ist das eine richtige Detektivarbeit."

Kontakt zu Ursula Neukam, geborene Eschl: * 09 11/69 48 93; E-Mail: u.p.neukam@kabelmail.de

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