Soul-Alarm: Leslie Clio stellt in Nürnberg ihr neues Album

15.10.2017, 16:43 Uhr
Mit ihrer Trio-Formation kommt Leslie Clio (hier bei einem Auftritt bei "Rock im Park") in den Club Stereo.

© Stefan Hippel Mit ihrer Trio-Formation kommt Leslie Clio (hier bei einem Auftritt bei "Rock im Park") in den Club Stereo.

Ende 2015 fühlten Sie sich ausgebrannt und nahmen sich eine Auszeit vom Musikgeschäft. Wieso gingen Sie ausgerechnet nach Hawaii?

Leslie Clio: Ich saß in Milwaukee und wollte eigentlich den Bus runter nach Nashville nehmen, aber dann wurde mir klar: Wenn ich jetzt nach Nashville gehe, werde ich endgültig die Musik hassen. Deswegen habe ich erst mal Urlaub in Hawaii gemacht. Am Ende wurde es eine Auszeit von vier Monaten.

Und danach war alles wieder gut?

Clio: Die Kreativität kam sofort zurück. Die dritte Platte habe ich schneller hingekriegt und mit viel weniger Druck als die zweite. Früher habe ich vieles überstürzt gemacht. Auf Hawaii habe ich gelernt, mir das zu verzeihen. Das hat aber lange gedauert, weil ich so ambitioniert war. Mit der zweiten Platte wollte ich an mein erfolgreiches Debüt anknüpfen. Man bekommt dann viel gesagt und hört auf alles. Das verunsichert einen. Aber ich bin darüber weg, jetzt habe ich eine neue Platte gemacht.

Ihr Album heißt "Purple". Bei welchem Song wussten Sie sofort, den muss ich aufnehmen?

Clio: Bei "Sad Games". Die Zeit in Hawaii war unterbrochen von einem einwöchigen Aufenthalt in Schweden. Am ersten Tag schrieb ich dort "Sad Games", am zweiten "Darkness Is A Filler" und am dritten "And I’m Leaving".

Die neuen Songs sind etwas düsterer als die alten. Musste man sich ernsthaft Sorgen um Sie machen?

Clio: Mein Gott, das ist halt der Fluch des Künstlerberufs. Man fühlt viel. Eigentlich möchte man ein leichtes Leben leben und trotzdem kommen immer wieder diese Schlaglöcher. In dem Moment merkt man, das Universum benutzt einen. Okay, mir ging es schlecht, aber wenn das das Ergebnis davon ist, dann sage ich: Danke!

Sie waren lange Zeit ein Workaholic. Haben Sie dadurch Ihre Grenzen kennengelernt?

Clio: Ja, voll. Als ich 30 wurde, habe ich klar gefühlt, dass ich gerade den ersten Akt meines Lebens verlasse. Ich weiß heute, der zweite Akt wird total lange gehen und es spielt keine Rolle mehr, ob ich etwas morgen, nächste Woche oder nächstes Jahr mache.

Nach der Zeit in Hawaii waren Sie mit dem Erfolgsproduzenten Olaf Opal (Sportfreunde Stiller, Ich + Ich, Christina Stürmer) im Studio. Was wollten Sie von ihm?

Clio: Olaf wurde mir von meinem Soundmann empfohlen. Beim zweiten Album habe ich mir den falschen Produzenten ausgesucht, weil ich so einen Druck hatte. Das sollte mir nicht noch einmal passieren. Olaf hat sofort dafür gebrannt, mit mir zu arbeiten. Ich habe nie an ihm gezweifelt.

Hat der Job des Musikproduzenten auch einen psychologischen Aspekt?

Clio: Ja. Olaf Opal und ich haben uns sofort verstanden. Nicht jeder Produzent sieht und versteht dich so wie du wirklich bist. Das ist im Künstlerischen das Wichtigste. In ihm habe ich etwas gefunden, was mich nicht mehr verlässt. Mit dieser dritten Platte ist etwas ganz Neues entstanden, an das ich gar nicht mehr geglaubt habe. Olaf hat meine Demos noch einmal auf eine andere Ebene gepackt, ohne sie zu verfremden.

Haben Sie sich Ihren Beruf anfangs genauso vorgestellt, wie Sie ihn heute erleben?

Clio: Ich habe mir schon als Zwölfjährige die ganzen Booklets durchgelesen und Interviews mit Künstlern angeschaut. Ich habe mich von außen in dieses Leben reingedacht und mich unterbewusst darauf vorbereitet. Meine Mutter hatte einen guten Musikgeschmack, über sie stieß ich auf Motown-Soul und afrikanische Musik. In meinem alten Leben war ich bestimmt eine dicke schwarze Frau im amerikanischen Süden, die da rumgegospelt hat.

Wer hat Ihnen dabei geholfen, Songschreiberin zu werden?

Clio: Es war Lernen durch Handeln. Eigentlich konnte ich es sofort. Nach dem Erfolg meines ersten Albums hatte ich den Anspruch, eine richtig gute Songschreiberin zu werden. Ich bin bei einem Verlag, der mich weltweit vernetzen kann. Er kann mir in jeder Stadt, in die ich gehe, ein Studio und Songwriter empfehlen. Das habe ich krass betrieben, deswegen ist meine zweite Platte auch so bunt geworden. Nashville hat sehr zu mir gesprochen, deshalb wollte ich da eigentlich mal hinziehen. Ich habe mich auch schon verheiratet auf einer Ranch leben sehen. Das hat aber nicht geklappt, weshalb ich zurückgekommen bin. Mittlerweile habe ich eine tolle Wohnung in Berlin am Wasser gefunden. Ich bin heute nicht mehr so rastlos. Ich weiß, dass ich nichts verpasse, wenn ich hier bleibe.

Sie sind gerade auf Tour. Welchen Anspruch haben Sie an Ihre Konzerte?

Clio: Ich habe in den letzten Monaten extrem viel geprobt. Ich merke, wie ich gerade meine Form annehme. Das empfinde ich als Segen. Ich will gar keine Beyoncé sein. Wir sind nur noch zu dritt auf der Bühne, das ist ein Gewinn.

Gibt es männliche Groupies?

Clio: Tatsächlich hatte ich das auch mal. (lacht) Aber es kommt nicht so häufig vor. Die Sängerin der Cardigans sagte einmal, dass schon so viele junge Männer in sie verknallt gewesen seien. Aber im Tourbus fühle sie sich wie der einsamste Mensch auf der Welt, während ihre Musiker dauernd Frauen abschleppten. Als Frau neigt man in diesem Geschäft eher zur Einsamkeit, als dass man sich an irgendwelche Fans verschwendet. Aber fragen Sie mich das nochmal nach meiner Tour. (lacht)

Aktuelle CD: Leslie Clio, "Purple" (Embassy Of Music/Warner)

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