Sozialpädagogen vermissen Obdachlose an Wöhrder Wiese

25.5.2017, 12:53 Uhr
Ein bisschen Liebe für einen vermeintlichen Schandfleck: Angehende Erzieher haben das ehemalige Obdachenlosenlager aufgehübscht.

© privat Ein bisschen Liebe für einen vermeintlichen Schandfleck: Angehende Erzieher haben das ehemalige Obdachenlosenlager aufgehübscht.

"Welcome" haben sie auf den Boden geschrieben, mit bunter Straßenkreide. Der Schriftzug ist eingerahmt und soll wohl einen Fußabtreter darstellen, wie er vor unzähligen Wohnungen in Nürnberg ausliegt. Eine Wohnung ist der Ort unter der Franz-Josef-Strauß-Brücke, direkt gegenüber des U-Bahnaufgangs Wöhrder Wiese, natürlich nicht, zumindest nicht offiziell.

Trotzdem haben hier bis vor ein paar Monaten Menschen gelebt. Menschen, die sich keine eigenen vier Wände leisten können und hier, unter der Brücke, so etwas wie ihren Rückzugsort fanden. Stadt und Polizei wussten natürlich von dem Obdachlosenlager, so wie es jeder wusste, der dort vorbeikam und es mit eigenen Augen sah. Die Behörden duldeten das Lager - schließlich haben die "Bewohner" keinen Ärger gemacht.

Doch im Februar zogen die Obdachlosen weiter, verließen ihr Lager an der Wöhrder Wiese. "Wir wurden seit einiger Zeit immer wieder nachts beklaut. Wenn wir geschlafen haben, haben andere Obdachlose uns Essen, Kleidung und andere Sache weggenommen", sagte André, Spitzname "Cobra", damals. Es seien verschiedene Gruppen gewesen, der ständige Ärger sei zermürbend gewesen.

Das zurückgelassene Lager wurde schnell zur Müllhalde, auch weil Unbekannte einfach ihren Unrat dazustellten. Also räumte der Servicebetrieb Öffentlicher Raum (Sör) ein für alle Mal auf. Und der "Schandfleck", wie ihn manche nannten, war verschwunden. 

Ein Gläschen Wein gefällig?

Ein Gläschen Wein gefällig? © privat

Für Janina Borsdorf, die sich gerade an der Evangelischen Fachakademie für Sozialpädagogik in Nürnberg zur Erzieherin ausbilden lässt, und ihre Kollegen war das eine Steilvorlage. "Unsere Stadt soll schöner werden" haben sie ihre Aktion überschrieben, mit der sie den Obdachlosen ein kleines Denkmal setzen wollten. Blumen, einen Teppich, sogar einen kleinen Bistrotisch mit einer Flasche Wein haben sie auf die kahlen Steine gemalt und so die Illusion einer lebenswerten Wohnung geschaffen.

"Wir finden, dass dieser Ort genauso zu Nürnberg gehört und diese Stadt mit ausmacht und prägte", erklärt Borsdorf. "Wir vermissen ihn und wollten deswegen ein Zeichen setzen, dass es für uns ein schöner Ort von Nürnberg war oder auch immer noch ist." Sie und ihre Kollegen fänden es schade, dass der Ort nicht mehr bewohnt werde. Darum haben sie ein Schild aufgehängt, garniert mit Blümchen, auf dem steht: "Wir alle sind Nürnberg." Wie wahr.

16 Kommentare